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600 Stunden aus Edwards Leben

600 Stunden aus Edwards Leben

Titel: 600 Stunden aus Edwards Leben
Autoren: Craig Lancaster
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Eine Frau erzählt den Polizisten, ihr Mann, der von ihr getrennt lebt, sei zu Besuch gekommen, habe sich in ein Zimmer eingeschlossen und dann erschossen.
    Doch die Indizien passen nicht zusammen. Wie sich herausstellt, stammt die Kugel, die man im Körper des Toten findet, nicht aus der Waffe, die er in der Hand hält. Sergeant Joe Friday und Officer Bill Gannon kehren in das Haus der Frau zurück und untersuchen ihren Staubsaugerbeutel, weil sie das Zimmer, in dem ihr getrennter Ehemann starb, bereits gestaubsaugt hat. Da finden siedie Patronenhülse für die Kugel, die ihn getötet hat. Sie sprechen mit der Mutter der Frau, die die Tür öffnete, als der Mann vorbeikam, und finden heraus, dass sie ihn erschossen hat – weil er in ihre Bibel geschossen hatte.
    Die Lehre daraus ist, denke ich, dass wir dazu neigen, die Menschen und Dinge beschützen zu wollen, die uns am Herzen liegen. Und das ist sehr leicht nachzuvollziehen.

    Anstatt einen Beschwerdebrief zu schreiben, was ich ja beschlossen habe aufzugeben, leere ich meinen Aktenschrank aus und verstaue alle grünen Aktenordner mit den Briefen in einer Kiste. Ich bin versucht, alle geschriebenen Briefe zu zählen, aber ich widerstehe dem Drang. Wenn ich keine Briefe mehr schreiben werde, spielt die Anzahl keine Rolle. Ich werde die Briefe in eine Kiste packen und morgen in die Garage bringen. Dort können sie eine Weile lagern, bis ich weiß, was ich mit ihnen tue. Vielleicht werde ich sie irgendwann wieder ins Haus bringen, weil ich das Schreiben doch nicht aufgeben kann. Ich hoffe nicht, dass das passiert, aber ich weiß es einfach nicht. In dieser Hinsicht kann alles nur Vermutung sein, und ich bevorzuge Tatsachen. Tatsachen sind das Verlässlichste auf der Welt. Darin sind Sergeant Joe Friday und ich uns einig.

DONNERSTAG, 6. NOVEMBER
    Ich weiß nicht genau, wo wir sind. Da ist eine lange, geradlinige Highway-Fahrbahn durch eine Ebene ohne Bäume, umgeben von Brachland. Wir sitzen im Cadillac – ich als Fahrer, mein Vater als Beifahrer.
    »Fährt sich gut, hm?«, meint mein Vater und grinst mich an. Er trägt eine Sonnenbrille.
    »Sehr gut.«
    »Du weißt, warum, oder?«
    »Warum?«
    »Weil du einen gottverdammten Cadillac fährst, darum!« Er lacht schallend.
    »Aber wohin fahren wir?«, will ich wissen.
    »Wohin du willst, Edward. Aber meinst du nicht, du musst zuerst …«

    Zum Supermarkt. Das denke ich, als ich um 7:38 Uhr die Augen aufschlage.
    An einem Tag wie diesem braucht ein Mensch ein gutes Frühstück, und ich bin ein Mensch, aber ich habe kein Frühstück. Dass ich meinen Einkauf am Dienstag ausgelassen habe, zeigt zwar, dass ich kühn und impulsiv sein kann, aber das hilft mir heute nicht weiter, wo ich nichts zu essen habe. Wenn das Thunfisch-Sandwich, das meine Mutter mir gestern zum Mittag gemacht hatte, und meine übrige Pizza als Abendessen nicht gewesen wären, hätte ich gestern vielleicht ans Einkaufen gedacht. Aber das habe ich nicht. Dieses Versäumnis ist mein eigener Fehler.
    In meinem Schlafzimmer ziehe ich mich im Dunkeln an und verlasse dann schnell das Haus. Ich kann mir 7:38 Uhr merken. Schließlich bin ich 229-mal an den 311 Tagen dieses Jahres (weil es ein Schaltjahr ist) zu dieser Zeit aufgewacht. Wenn ich mich daran nicht mehr erinnern könnte, müsste ich meinen Kopf untersuchen lassen, was ich auf keinen Fall will.
    Ich kann meine Daten also vervollständigen, wenn ich wieder nach Hause komme.

    So früh am Morgen ist es kalt und düster. Der Spätherbsthimmel ist dunkelgrau wie ein Gewehrlauf, und ich würde schätzen, dass die Temperatur heute nicht viel über den Gefrierpunkt kommen wird. Ich würde schätzen, aber das tue ich nicht gern. Schätzungen sind Vermutungen. Ich bevorzuge Tatsachen.
    Im
Albertsons
an der 13th Street West, Ecke Grand Avenue jedoch ist es hell und leer, und es macht mir Spaß, die Gänge entlangzugehen und Lebensmittel zusammenzusuchen, die ich brauche.
    Ich habe beschlossen, es noch einmal mit anderem Essen zu versuchen. Ich sehe ein, dass die Änderung meiner Einkaufsgewohnheiten nichts mit dem zu tun hatte, was meinem Vater passiert ist; das war einfach Zufall. Ich würde immer noch gern ausprobieren, ob ich ein Steak braten kann, und deshalb kaufe ich ein Paket mit zwei Rumpsteaks für den Fall, dass der erste Versuch nicht klappt.
    Gewohnheitsgemäß (ich liebe den Begriff »gewohnheitsgemäß«) nehme ich außerdem Cornflakes und die Zutaten für Spaghetti, was weiterhin mein
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