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600 Stunden aus Edwards Leben

600 Stunden aus Edwards Leben

Titel: 600 Stunden aus Edwards Leben
Autoren: Craig Lancaster
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Tisch und vielen Stühlen. Vermutlich werden dort wichtige Konferenzen abgehalten. Rechts sind noch mehr Büroabteile und Glasbüros an der Südseite. Hier im
Herald-Gleaner
wirkt alles sehr geschäftig und wichtig.
    »Edward, mein Junge!« Mr Withers’ laute Stimme dringt durch die Glastrennwand zu mir herüber. Ich würde sie überall wiedererkennen. Er schiebt eine Tür auf und bittet mich hereinzukommen.
    »Wie geht es dir, Edward?«, fragt er, streckt mir seine Hand entgegen, und ich drücke sie.
    »Es geht mir gut.«
    »Ausgezeichnet.«
    Seit meinem Abschluss an der
Billings West Highschool
vor einundzwanzig Jahren habe ich Mr Withers nur ein paar Mal gesehen. Damals war er vermutlich jünger als ich jetzt bin, vielleicht um die fünfunddreißig oder sechsunddreißig. Jetzt ist er etwa Mitte fünfzig, und sein rötlich braunes Haar, an das ich mich noch erinnern kann, ist grau geworden. Er ist ein bisschen dicker geworden und hat ein paar mehr Falten um die Augen, aber seine Stimme und Körperhaltung sind immer noch dieselben.
    »Edward, noch einmal mein herzliches Beileid zu deinem Vater. Er war ein guter Mann.«
    »Ja.«
    Er klopft mir auf die Schulter. »Tja, mein Junge, dann komm mal mit mir nach oben. Wir haben einiges zu besprechen.«

    Auf dem Weg nach oben erzählt Mr Withers von seiner Arbeit beim
Herald-Gleaner
.
    »Ich bin der Technische Leiter«, sagt er. »Das bedeutet in erster Linie, dass ich hier alles am Laufen halte. Es geht dabei um mechanische Dinge wie die Druckerpresse und die Instandhaltung der Büros und der Außenanlage. Das ist viel Verantwortung. Es ist ein großes Grundstück. Ich werde dir gleich alles zeigen.
    »Warum haben Sie an der Highschool aufgehört?«
    »Ich war dreiunddreißig Jahre dort. Es wurde Zeit. Ich habe mir mein Anrecht auf eine Pension erarbeitet, und es wurde immer schwerer, mit den Schulleitern und den Bestimmungen klarzukommen. Ich hatte das Gefühl, es wäre Zeit für eine Veränderung. Kennst du das Gefühl, Edward?«
    »Ja.« Das habe ich in letzter Zeit häufig gehabt.
    »Jedenfalls … hier ist mein Büro«, sagt er und führt mich in einen kleinen Raum mit Ausblick auf die 4th Avenue North, eine der viel befahrenen Straßen von Billings. »Setz dich.«
    Ich setze mich, und Mr Withers nimmt hinter seinem Schreibtisch Platz.
    »Der Grund, warum ich dir geschrieben habe, ist der, dass ich möchte, dass du für mich arbeitest.«
    Das hatte ich nicht erwartet, und deshalb fällt mir nur ein Wort ein.
    »Warum?«
    »Jemanden wie dich kann ich gut gebrauchen. Du hast geschickte Hände und ein gutes Verständnis für Mechanik. Diese Anlage ist vierzig Jahre alt und muss gut gewartet werden. Ich dachte, du bist genau der Richtige, der mir dabei helfen kann.«
    »Wann?« Ich bin gleichermaßen aufgeregt wie verängstigt.
    »Ich denke, ich würde dich in der sogenannten ›Spätschicht‹ einsetzen. Die geht vom späten Nachmittag bis etwa Mitternacht«, antwortet Mr Withers. Dann wird seine Stimme etwas leiser und ernster. »Edward, ich weiß, dass du zum Arbeiten deine Ruhe brauchst. Ich weiß auch, warum. Bei dieser Arbeit wäre das gegeben. Du bist mir unterstellt, und wenn du hier bist, wirst du Aufgaben übernehmen, die ich dir gebe und die du dann allein verrichten kannst. Verstehst du, was ich sage?«
    »Ja.«
    »Gut«, erwidert er und kehrt zu seinem munteren Selbst zurück. »Was meinst du – sollen wir uns einmal umsehen?«

    Mr Withers führt mich durch den gesamten
Herald-Gleaner
und erklärt mir, was in jedem Teil des Gebäudes passiert.
    Im nördlichen Teil, so sagt er, arbeiten die Mitarbeiter der Anzeigen- und Marketingabteilungen, die Werbefläche in den Zeitungen und auf ihrer Webseite verkaufen und an Werbeaktionen arbeiten und solchen Sachen. Er stellt mich einer ganzen Reihe von Leuten vor, aber ich kann mir ihre Namen nicht alle merken.
    Im südlichen Teil des Gebäudes ist die Redaktion untergebracht – die Journalisten und Redakteure und Fotografen, die die Nachrichten schreiben und jeden Abend eine ganze Zeitung zusammenstellen. Ich erwarte einen Riesentumult, wie man es in Filmen über Zeitungsredaktionen immer sieht, aber um diese Tageszeit ist es hier ganz ruhig. Viele Leute sitzen am Telefon.
    Wie sich herausstellt, sind die Bäume mitten im Gebäude echt. Mr Withers schmunzelt, als ich ihn danach frage, und deutet zur Decke, wo ein riesiges Oberlicht eingebaut ist. »Es ist ganz schön anstrengend, ständig die welken
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