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595 Stunden Nachspielzeit - Humorvoller Roman (German Edition)

595 Stunden Nachspielzeit - Humorvoller Roman (German Edition)

Titel: 595 Stunden Nachspielzeit - Humorvoller Roman (German Edition)
Autoren: Jo C. Parker
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gelingt, die Kobolde aus der Gefangenschaft der hässlichen Warzenhexen zu befreien, erfahrt ihr in meinem Roman. Ich danke euch fürs Zuhören.«
    Wie eine Trophäe hielt ich das Hardcover in die Höhe, um das Verlangen zu wecken, dieses Meisterwerk im Anschluss käuflich zu erwerben. Die beiden anwesenden Lehrerinnen klatschten und animierten die vierundfünfzig Schüler, ihrem Beispiel zu folgen. Der Applaus endete rasch, was ich als schlechtes Omen für den späteren Buchverkauf wertete.
    Die Pädagogin, die beinahe eingedöst war, erhob sich von ihrem Stuhl. »Jetzt hat uns der Herr Frost nicht nur so wundervoll vorgelesen«, sagte sie mit pathetischer Stimme, »sondern sich auch bereit erklärt, eure Fragen zu beantworten. Was wollt ihr also von einem echten Autor wissen?«
    Schüchtern hoben die ersten Kinder ihre Arme in die Höhe.
    Ich wählte ein Mädchen in der zweiten Reihe aus, das ein gelbes T-Shirt trug. Auf diesem schlug ein Comicgirl einen Strichmännchenjungen mit der rechten Faust nieder. ›Frauenpower‹ stand unter dem Bild. Vor meinem geistigen Auge sah ich ihre Eltern Eva und Judith beim Vorgespräch für die künstliche Befruchtung.
    »Wollten Sie schon immer Bücher schreiben?«, erkundigte sie sich.
    »Nein«, antwortete ich. »Als ich in eurem Alter war, hasste ich Aufsätze.«
    Die Pädagogin sah mich tadelnd an. Von Wahrheitsliebe hielt sie wohl nicht viel.
    »Warum sind Sie denn dann Schriftsteller geworden?«, rief ein Schüler, der hinten saß.
    »Vor etwa zehn Jahren fing ich an, mir Geschichten für einen Jungen auszudenken. Weil ihm meine Ideen gefielen, schrieb ich sie irgendwann auf und schickte sie an Verlage. Einer dieser Verlage hatte Interesse und knapp zwölf Monate später erschien mein erster Roman. Das war ein tolles Gefühl!« Die zwanzig Standardabsagen, die ich vorher erhalten hatte, erwähnte ich nicht.
    »Wie heißt Ihr Sohn?«, fragte ein Mädchen mit zum Zopf geflochtenen, blonden Haaren und einem roten Brillengestell auf der Nase.
    »Ich habe keine Kinder.«
    »Wer war dann dieser Junge?«, bohrte sie nach.
    »Der Sohn meiner damaligen Lebensgefährtin.«
    »Wie alt sind Sie?«
    »Siebenunddreißig.«
    »Was hast du gemacht, bevor du Autor geworden bist?«
    »Ich besaß ein Transportunternehmen und fuhr mit einem kleinen Lkw Pakete von einem Ort zum anderen.«
    »Cool!«, sagte ein Junge. »Warum machst du das heute nicht mehr?«
    »Bücher schreiben und sie netten Kindern wie euch vorzulesen, ist viel schöner«, schleimte ich mich ein. »Außerdem hat es mich genervt, die Hälfte meiner Arbeitszeit im Stau zu stehen.« Und die Verdienstmöglichkeiten waren mit jeder Gesetzesänderung geschrumpft. Doch vor allem hatten mir irgendwann meine Kniegelenke Schwierigkeiten bereitet. Das ständige Kuppeln, Bremsen, Gas geben war Gift für sie gewesen.
    »Sind Sie reich?«, fragte ein Mädchen.
    Die Lehrerinnen und zahlreiche Schüler kicherten.
    »Leider nicht«, erwiderte ich wahrheitsgemäß.
    Ein Mädchen in einer weißen Bluse hob schüchtern ihre Hand. Aufmunternd nickte ich ihr zu. Sie gehörte bei der Lesung zu denjenigen, die mir positiv aufgefallen waren, weil sie die ganze Zeit aufmerksam zugehört und am Ende frenetisch applaudiert hatte.
    »Ich finde Sie voll toll«, sagte sie zuckersüß. »Und das Buch war so spannend. Meine Eltern lesen mir nie vor.«
    »Schade«, entgegnete ich mit einem tröstenden Lächeln. Wenn die Mehrzahl der jungen Zuhörer wie sie wäre, würden mir diese Schulveranstaltungen mehr Spaß bereiten.
    Zehn Minuten später beendete ich die Fragerunde. Auf dem Tisch lag eine Plastikbox mit Postkarten, die meine aktuellsten vier Romane bewarben. Ich hielt eine der gelben Karten in die Höhe. »Hierauf findet ihr ein paar Hinweise, die euch bei einer Bestellung in der Buchhandlung oder im Internet helfen. Wer Geld mitgebracht hat, kann
Tamara und der Fluch der hässlichen Warzenhexen
jetzt bei mir kaufen, ich schreibe gerne eine Widmung hinein. Außerdem freue ich mich über Gästebucheinträge auf meiner Homepage; die Adresse ist ebenfalls auf der Postkarte vermerkt.«
    Eine Schülerin schnippte aufgeregt mit ihren Fingern. »Was kosten die Karten?«
    »Nichts.«
    Die Kinder jubelten laut. Ehe ich sie bitten konnte, sich anständig in einer Reihe anzustellen, drängelten sie sich um mich herum. Im Kampf um die besten Plätze schubsten sie sich gegenseitig weg und streckten mir ihre Hände entgegen. In meiner Bewegungsfreiheit
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