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595 Stunden Nachspielzeit - Humorvoller Roman (German Edition)

595 Stunden Nachspielzeit - Humorvoller Roman (German Edition)

Titel: 595 Stunden Nachspielzeit - Humorvoller Roman (German Edition)
Autoren: Jo C. Parker
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immer zahlreiche Baustellen den fließenden Verkehr. Beim Einsetzen leichten Nieselregens leuchteten reflexartig rote Bremslichter auf.
    »Leute! Leute! Leute!«, fluchte ich nach einem Blick auf die Uhr. »Es sind bloß ein paar Tropfen Wasser. Ihr müsst nicht für jeden einzelnen in die Bremsen steigen!«
    Meine Belehrungsversuche brachten nichts. Es bildete sich ein Stau, der mich zum Anhalten zwang.
    »Verdammter Mist!« Wütend schlug ich aufs Lenkrad. Ich hatte nur noch sechzig Minuten Zeit bis zum Beginn des Schulfestes.
    Vor mir stand ein blaues Fahrschulauto. Als sich die Blechkarawane wieder in Bewegung setzte, würgte der Fahrschüler den Motor ab. Das Auto blieb ruckelnd stehen.
    »Das darf nicht wahr sein!«, brüllte ich. »Wie kann man so einen blutigen Anfänger auf die Bahn lassen?«
    Der Schüler schaffte es, den Motor anzulassen und ihn beim Anfahren erneut abzuwürgen.
    »Flasche!«
    Hinter mir hupte jemand. Um meine Solidarität kundzutun, drückte ich ebenfalls fest auf die Hupe. Genervt blickte der Fahrlehrer über die Schulter. Mit seinem Zeigefinger gab er mir zu verstehen, was er von so viel Ungeduld hielt.
    »Was willst du von mir?« Ich gestikulierte mit meinen Armen, um darauf hinzuweisen, dass die Blechlawine inzwischen gut dreihundert Meter vorwärtsgekommen war. Während dieser dezenten Informationsvermittlung spürte ich einen heftigen Stich in der Brustgegend.
    »Puh«, stöhnte ich gepeinigt auf und massierte meinen Brustkorb.
    Das Fahrzeug rollte endlich los und der Lehrer hatte ein Einsehen mit den staugeplagten Menschen. Der Blinker leuchtete auf, kurz danach verließ der Pkw die Autobahn. Im Nu fand ich Anschluss an die anderen Wagen.
    Mit vierzig Stundenkilometern quälte ich mich durch die Baustelle und wählte unterdessen mittels der Freisprecheinrichtung die Telefonnummer meiner Mutter an.
    »Frost«, meldete sich eine erkältet klingende Stimme.
    »Bist du krank?«, fragte ich ohne Umschweife.
    »Hallo, mein Sohn. Ich war letzte Woche krank. Jetzt geht es einigermaßen. Du solltest öfter anrufen, falls dich mein Gesundheitszustand interessiert.«
    »Du kannst dich ja auch melden. Oder gilt deine Flatrate ausschließlich für ankommende Gespräche?«
    »Als du noch mit Melanie zusammen warst, haben wir uns häufiger gesehen.«
    »Melanie ist seit zwei Jahren Geschichte«, erinnerte ich sie.
    »Wird Zeit für eine neue Frau. Das Alleinsein tut dir nicht gut.«
    Warum bloß bohrte sie in dieser Wunde? Ich wusste selbst, dass ich nicht fürs Alleinsein geschaffen war. Andererseits gehörte eine Menge Glück dazu, die richtige Partnerin zu finden und sie nicht wieder zu verlieren.
    »Bist du gleich da?«, erkundigte sie sich.
    »Ich schaffe es nicht, dich abzuholen. Ich stehe im Stau.«
    »Wie soll ich dann zur Schule kommen?«
    »Indem du fünf Minuten läufst!« Nach dem Tod meines Vaters war meine Mutter in der alten Wohnung geblieben, in der sie seit nunmehr zweiundvierzig Jahren lebte.
    »Ich fühle mich heute nicht so gut«, stöhnte sie.
    »Ein kurzer Spaziergang wird dir nicht schaden.« Ihre Wehleidigkeit war äußerst anstrengend. Als ich ein kleiner Junge war, hatte sie mir regelmäßig Angst eingejagt, weil sie in jedem stärkeren Kopfschmerz die Symptome eines Gehirntumors zu erkennen glaubte. Zumindest war es mir in der Pubertät gelungen, mich davon nicht mehr tangieren zu lassen. Meine Abneigung gegen Vorsorgeuntersuchungen hing bestimmt mit ihrer überproportionalen Inanspruchnahme dieser Leistung zusammen.
    »Wenn du mich nicht abholst, muss ich wohl zu Fuß gehen.«
    »Ich habe mir den Stau nicht ausgesucht. Die Lesung fängt um Viertel nach drei an. Sei ausnahmsweise pünktlich!«
    Ohne ein weiteres Wort legte sie auf.
    Erneut massierte ich mir meine Brust und versuchte, meine verkrampfte linke Schulter zu lockern. Wunderte sie sich wirklich über unseren seltenen Kontakt? Stets sprach sie mich darauf an, dass zu Melanies Zeiten alles schöner gewesen war. Als würde ich das nicht selbst wissen.
    Wenigstens löste sich die Autoschlange endlich auf. Ich wechselte die Spur und gab Gas.
    Eine halbe Stunde später tauchte das dreigeschossige, rote Backsteingebäude vor mir auf. Die Direktorin hatte mir in der E-Mail-Konversation die Erlaubnis gegeben, den auf dem Schulgelände befindlichen Parkplatz zu benutzen. Also rollte ich vorsichtig durch das geöffnete Tor und überfuhr dabei fast einen übergewichtigen Mann, der sich mir überraschend behände in den
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