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57 - Die Liebe des Ulanen 03 - Die Spione von Paris

57 - Die Liebe des Ulanen 03 - Die Spione von Paris

Titel: 57 - Die Liebe des Ulanen 03 - Die Spione von Paris
Autoren: Karl May
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Möbeln, welche früher sicher reich und kostbar gewesen waren, jetzt aber nur noch an eine glänzende Vergangenheit zu erinnern vermochten. Auf dem Tisch, welcher in der Mitte stand, brannten zwei Kerzen auf einem sechsarmigen Leuchter. Das gab ein sehr spärliches Licht, und darum hatten sich die anwesenden Personen ganz nahe um diesen Leuchter gruppiert. Sie erhoben sich, als die beiden Deutschen eintraten.
    Der Blick Gebhards von Königsau fiel zunächst auf die Gräfin, die ihm am nächsten stand. Sie war eine nicht sehr hohe, aber wie es schien, sehr bewegliche Dame, im Anfang der sechziger Jahre, mit scharfem Gesicht und ebenso scharfen, dunkel glühenden Augen. Gebhard gab seinem Freund recht, sie mußte früher sehr hübsch, wohl gar schön gewesen sein und schien noch heute ein Etwas in Blick, Bewegung und Miene zu besitzen, was auf Sieg berechnet zu sein schien.
    Ihr zur Rechten und zur Linken standen zwei Wesen, welche von der dunkel gekleideten Gräfin sich hell und sympathisch hervorhoben. Die Rechte war jedenfalls Hedwig, die Unbezähmbare. In graue Seide gekleidet, glich sie einer Sylphide, welche darauf wartet, von Zeus zur Venus umgewandelt zu werden, bewegungslos stand sie da. Blitzende Augen, neckische Grübchen in Wangen und Kinn, ein spöttisches Mündchen und das leise zurückgeworfene Köpfchen gaben ihr etwas Kampfbereites, welches allerdings verführen konnte.
    Ganz anders dagegen die Schwester. Obgleich ein Jahr jünger, war Ida doch mehr entwickelt als Hedwig. Ihre wohl gerundeten Glieder waren in rosa Seide gehüllt. Das Köpfchen senkte sich unter der Fülle des Haares. Sanfte, seelenvolle Augen, von langen Wimpern halb und züchtig verhüllt, zart rosig angehauchte Wangen, ein feines Kinn und volle schön gebogene Lippen bildeten mit der elfenbeinernen Stirn und den lieblich geschweiften Brauen ein Ganzes, welches auf Gebhard den Eindruck machte, als müsse er sogleich nahetreten, um die Hand des holden Wesens mit den Worten zu ergreifen: „Wie schön und gut bist du. Wer dich nicht liebt, der ist ein böser Mensch!“
    Die vierte Person war einige Schritte seitwärts getreten, um unter dem Schutz des Halbdunkels Beobachtungen anzustellen, ohne selbst scharf beobachtet werden zu können. Graf Rallion, der ‚Neffe‘, war jedenfalls bereits dem dreißigsten Jahre nahe. Lang und hager gebaut, war auch sein Kopf aus der Breite in die Höhe gedrückt. Das schmale, scharfe Gesicht glich dem Kopf eines Raubvogels. Die Augen waren stechend, die Brauen buschig und an der Nasenwurzel zusammenstoßend; die Lippen waren schmal, und das Kinn machte über dem langen, dünnen, aus einer hohen Krawatte hervorschießenden Hals, wie es schien, eine Bewegung nach seitwärts, als erheische es der aristokratische Stolz seines Besitzers, sich nicht berühren zu lassen. Das war Graf Jules Rallion.
    Vielleicht erinnert sich der freundliche Leser, daß im Jahre 1870 ein Graf Jules Rallion nach Ortry zu dem alten Kapitän Richemonte kam, um seinen Sohn mit der schönen Marion zu verheiraten, welche Doktor Müller, der verkleidete deutsche Offizier liebte. Und ebenso wird wohl noch erinnerlich sein, daß die sterbende Seiltänzerin damals, als sie vom Seil gestürzt war, dem braven Diener Fritz Schneeberg die Worte in das Ohr flüsterte: „General – Kunz von Goldberg – Vater – rauben lassen Graf – Jules Rallion – Cousin Hedwig – Bajazzo – bezahlt.“ Es schürzt sich hier eben der Knoten, von welchem die Fäden nach verschiedenen Richtungen auseinandergehen, um in dem angegebenen Jahr in Ortry zusammenzulaufen.
    So spinnt das Leben seine wunderbaren Gewebe, und der schwache Mensch steht staunend vor der Weisheit des Schicksals, dessen tief und scharf berechnendes Walten eine jede irdische Tat mit untrüglicher Genauigkeit abzuwägen und mit wunderbarer Gerechtigkeit zu belohnen oder zu bestrafen weiß.
    Die beiden Offiziere, welche hier allerdings in Zivil gekleidet gingen, verbeugten sich vor den Anwesenden, und Kunz von Goldberg sagte:
    „Meine Damen und mein Herr, ich stütze mich auf die mir heute gewordene Erlaubnis, Ihnen meinen Freund, den Lieutenant Gebhard von Königsau, vorzustellen!“
    Die Gräfin trat einen Schritt näher, betrachtete den Genannten mit kalten und scharfen Augen und antwortete:
    „Ich heiße Sie willkommen, Lieutenant von Goldberg. Herr Lieutenant von Königsau, Sie sehen hier zwei Komtessen von Rallion, meine Nichten, und da den Grafen Jules de Rallion,
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