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54 - Deutsche Helden, Deutsche Herzen 06 - Die Kosaken

54 - Deutsche Helden, Deutsche Herzen 06 - Die Kosaken

Titel: 54 - Deutsche Helden, Deutsche Herzen 06 - Die Kosaken
Autoren: Karl May
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es!“
    Der Sänger tauchte den Blick tief forschend in das Auge des Wachtmeisters und bemerkte deutlich die Heimtücke, die in der Tiefe desselben lauerte. Er ahnte, daß man ihn aus einer ganz besonderen Absicht zum Gesang auffordere, konnte jedoch dieselbe nicht erraten.
    Scheinbar unbefangen lehnte er sich wieder an den Baum, aber so, daß er keinen der drei Kosaken hinter sich hatte, und tat, als ob er nur mit der ihm gestellten Aufgabe beschäftigt sei, war aber trotzdem darauf gefaßt, sich in jedem Augenblick gegen eine etwaige Überrumpelung zu wehren.
    Nun erhob er die Balalaika, schlug einige Akkorde an und begann, während die Blicke der Kosaken nach seiner linken Hand gerichtet waren, folgendes Lied:
    „Meine Laute ist mein höchstes Gut;
Meine Laute ist mein Stolz, mein Mut,
Und sie laß ' ich nicht,
Denn ihr Klingen spricht
Wie ein Engel aus vergangnen Zeiten.
    Meine Laute sah des Jünglings Glück,
Meine Laute seinen Tränenblick,
Sah ihn singend stehn,
Stolz wie Götter gehen
Durch des Lebens Frühlingsauen.
    Meine Laute sah des Mannes Schmerz,
Sah auch schwellen das zufriedne Herz,
Und des Herzens Schlag
Sprach die Saite nach,
Laut verkündend Schmerz und Lustgefühle.“
    So weit war er mit dem in Rußland sehr beliebten Lied gekommen, als er durch die vorsichtig niedergeschlagenen Wimpern bemerkte, daß der Wachtmeister den beiden Kosaken verstohlen zunickte.
    Was meinte dieser Mann? Das war nicht das Nicken des Wohlgefallens über das Lied, sondern das war vielmehr das Zeichen der Übereinstimmung; es sah aus wie ein Befehl, den der Wachtmeister seinen Untergebenen erteilte. Dennoch tat der Sänger so, als ob er gar nichts bemerkt habe, und fuhr fort:
    „Meine Laute ziere noch den Greis
Mit dem Haupte zitternd einst und weiß!
Von des Lebens Harm,
Mit der Laut' im Arm
Will ich auf zu reinem Chören schweben.“
    Während dieser fünf gesungenen Zeilen hatte der Wachtmeister nach dem Griff seiner Wolfspeitsche gelangt und dieselbe unter dem Halsriemen des Pferdes hervorgezogen. Er hielt sie jetzt so in der Hand, als ob er bereit sei, mit derselben zuzuschlagen. Dessenungeachtet sang der junge Mann auch die letzte Strophe:
    „Meine Laute gebt mir in das Grab;
Meine Laute senkt mit mir hinab.
Denn der Klang verdirbt,
Wenn der Sänger stirbt,
Und der Fremde weiß sie nicht zu spielen.“
    Jetzt sollte eigentlich noch das Nachspiel kommen, aber der Sänger wurde daran verhindert. Er hatte wohl bemerkt, daß die drei Kosaken nur seine linke Hand fixierten; aber er hatte nicht geahnt, was ihre Blicke dort suchten. Jetzt aber, gerade noch zur richtigen Zeit, sah er, daß ihm der Ärmel zurückgerutscht war. Da war ganz deutlich eine dunkel gefärbte Stelle an der Handwurzel zu erkennen. Das war die Spur, die die Zobelfalle zurückgelassen hatte. Er war also unbedingt erkannt und entdeckt worden.
    Kaum hatte er die letzten Worte gesungen und wollte eben das Nachspiel beginnen, so erhob auch schon der Wachtmeister die Peitsche und rief in befehlendem Ton:
    „Drauf! Er ist's, Alexius Boroda!“
    Die beiden Kosaken warfen sich aus dem Sattel und drangen auf den Sänger ein.
    Mila stieß einen Schrei aus. Sie war überzeugt, daß der Mutige verloren sei, er, der Unbewaffnete, gegen drei bis an die Zähne bewaffnete Kosaken. Er aber hatte ganz und gar nicht das Aussehen eines Mannes, der sich verloren gibt, denn seine Wangen röteten sich; seine Augen blitzten hell auf, und seine Gestalt schien zu wachsen, als er jetzt lachend antwortete:
    „So! So! Also ich bin Boroda! Nun, ich will nichts dagegen haben. Ihr habt jetzt den berühmten Zobeljäger gesehen und könnt damit zufrieden sein. Reitet also ganz ruhig heim und sagt den Kameraden, wie schön ich singen kann.“
    „Ja“, antwortete der Wachtmeister zornig. „Wir werden heimreiten, aber nicht ohne dich!“
    „Drauf!“ erklang dann abermals der donnernde Befehl.
    Nun gab es für die gehorsamen Kosaken freilich kein Zögern mehr. Sie drangen auf Boroda ein. Dieser aber, der noch immer am Baum lehnte, so daß er im Rücken gedeckt war, erhob seine Balalaika und schlug sie dem einen so an den Kopf, daß sie krachend in Splitter flog. Dem anderen versetzte er einen Faustschlag in die Magengrube, und das so schnell, daß beide auf dem Boden lagen, ehe der Wachtmeister noch Zeit gefunden hatte, ihnen beizustehen.
    „Hund!“ brüllte dieser auf. „Das will ich dir bezahlen!“
    Dann spornte er sein Pferd nach dem Baum und erhob die Peitsche zu einem
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