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54 - Deutsche Helden, Deutsche Herzen 06 - Die Kosaken

54 - Deutsche Helden, Deutsche Herzen 06 - Die Kosaken

Titel: 54 - Deutsche Helden, Deutsche Herzen 06 - Die Kosaken
Autoren: Karl May
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dich?“
    „Für mich und andere.“
    „Bist du selbst ein Flüchtling?“
    „Eigentlich nicht. Mein Vater ist ein Verbannter. Er hat lange Jahre hinten in Jakutsk geschmachtet. Die Mutter und ich, wir sind ihm freiwillig gefolgt. Ein Schwesterlein erfror auf der fürchterlichen Reise. Endlich, nach langen, langen Jahren ist es mir gelungen, den Vater zu befreien. Wir haben Monate gebraucht von Jakutsk bis hierher. Ich erfuhr von dem ‚Engel der Verbannten‘ und hörte, daß du es seist. Darum komme ich zu dir. Was man mir sagte, ist nicht zuviel. Du bist ein Engel!“
    Mila senkte die Augen und antwortete:
    „Ich habe dir bereits gesagt, daß ich der ‚Engel‘ nicht bin. Ich habe dein Lob nicht verdient.“
    „O doch. Ein Engel muß schön sein.“
    „Das ist wahr. Aber gerade darum auch bin ich kein Engel. Ich bitte dich – o weh! Da kommt – verbirg dich schnell!“
    Eben jetzt war der Hufschlag eines Pferdes hörbar geworden. Hinter einem der Nebengebäude erschien der Reiter. Er kam im Galopp angesprengt, und bald sah man, daß ihm noch zwei andere folgten.
    Es war ein Kosakenwachtmeister von der Grenzmannschaft. Seine zwei Begleiter waren Gemeine. Er fegte herbei bis hart vor Mila, wo er sein Pferd parierte und es so tief in die Hechsen riß, daß die Hinterhufe sich in den Boden gruben.
    Mila hatte dem Sänger zugerufen, zu fliehen; aber es war dazu zu spät gewesen. Der Kosak hätte ihn gesehen. Gerade durch die Flucht wäre der Verdacht des Wachtmeisters erregt worden. Darum war Alexius ruhig stehengeblieben.
    Der Kosak warf ihm einen raschen, finsteren Blick zu.
    „Gott grüß dich, Liebchen!“ wandte er sich an das schöne Mädchen. „Ich konnte unmöglich vorüber, ohne dich gesehen zu haben. Wie geht es dem Väterchen?“
    „Er ist in die Stadt geritten.“
    „Das Mütterchen?“
    „Sie befindet sich in der Küche.“
    „Und du, mein Täubchen, wie geht es dir?“
    „Sehr gut, am allerbesten aber dann, wenn niemand sich um mich bekümmert.“
    „Ach! Gilt das mir?“
    „Allen.“
    Mila sprach jetzt außerordentlich kurz und abweisend. Der Wachtmeister war allerdings keine sympathische Erscheinung. Ein struppiger Vollbart bedeckte sein Gesicht so, daß nur die Augen zu sehen waren, und sein ruhelos und scharf umherschweifender Blick hatte nichts Vertrauenerweckendes. Er schien alles bemerken und alles durchdringen zu wollen.
    „Allen?“ lachte er. „Das glaube ich nicht. Warum sprachst du denn mit diesem Burschen hier so freundlich? Ah, da sehe ich ja noch etwas, etwas höchst Interessantes!“
    Mit diesen Worten trieb der Kosak sein Pferd mit einigen Sätzen an das Gebäude und unter ein einzelnes Fenster, das offenstand, blickte aufmerksam hinein und kam dann wieder herbei.
    „Gestern ritt ich hier vorüber“, sagte er. „Es war spät am Abend, und alles schlief. Darum konnte ich euch nicht mehr begrüßen. Aber dort hinter den Scheiben brannte ein Licht, und als ich hineinschaute, sah ich ein Brot, einen Käse und auch Wurst, ein Stück Rolltabak und Streichhölzer. Wem gehörte das?“
    „Da mußt du den Vater fragen“, antwortete Mila. „Ich rauche nicht Tabak.“
    „Donnerwetter!“ fluchte der Kosak. „Meint ihr etwa, ich wisse nicht, für wen das alles bestimmt ist? Wenn ich nun zum Beispiel ins Meldebuch eintrüge: ‚Bei Peter Dobronitsch werden des Nachts 'die armen Leute' nicht nur gespeist, sondern sie bekommen auch Tabak geschenkt.‘ Was sagst du dazu?“
    „Gar nichts. Hast du vielleicht die ‚armen Leute‘ gesehen, die wir speisen?“
    „Nein, noch nicht, denn ich habe nur dir zuliebe ein Auge zugedrückt. Nun aber, da ich dir in allem so gleichgültig bin, werde ich die Augen desto besser aufmachen und dann vielleicht noch ganz andere Meldungen eintragen können.“
    „Schwerlich.“
    „O gewiß. Vielleicht werde ich da schreiben: Mila Dobronitsch ist der berüchtigte ‚Engel der Verbannten‘.“
    Das war natürlich nur ein Hohn, denn der Kosak konnte keine Ahnung haben von dem Verhältnis Milas zu Karpala, aber dennoch war es dem schönen Mädchen gar nicht wohl zu Mute – um des Sängers willen, der scheinbar gleichgültig am Baum lehnte und ganz so tat, als ob außer ihm gar niemand vorhanden sei. Sie gab sich Mühe, ein heiteres Lachen hören zu lassen, und antwortete:
    „Ich wollte, ich wäre dieser Engel. Wer wollte nicht gern ein Engel sein?“
    „Dieser Engel aber handelt gegen das Gesetz. Wenn er in unsere Hände gerät, so wird es
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