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54 - Deutsche Helden, Deutsche Herzen 06 - Die Kosaken

54 - Deutsche Helden, Deutsche Herzen 06 - Die Kosaken

Titel: 54 - Deutsche Helden, Deutsche Herzen 06 - Die Kosaken
Autoren: Karl May
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ihm schlecht ergehen. Vielleicht hält auch dieser Bursche da dich für einen Engel. Wenigstens standet ihr vorhin, als ich kam, so eng beieinander, als ob ihr schon im Himmel wärt. Was ist er denn?“
    „Ein Sänger. Du siehst ja, daß er die Balalaika mit sich hat. Er ist eben hier angekommen.“
    „So, so! Den muß ich mir doch etwas genauer betrachten. Ich kenne alle Sänger fünfhundert Werst in der Runde, aber diesen habe ich noch nicht ein einziges Mal gesehen.“
    Der Kosak wandte sich dem Genannten zu und nahm ihn mit einem langen, forschenden Blick in Augenschein.
    Der Sänger hielt denselben ruhig und gleichmütig aus. Er lehnte still an dem Baum und tat gar nicht, als ob er wisse, daß er einer so scharfen, eingehenden Prüfung unterzogen werde.
    Mila hingegen fühlte sich in diesem Augenblick von schwerer, innerer Sorge bedrückt.
    Er war ja ein Flüchtling; er war gekommen, um die Hilfe des ‚Engels der Verbannten‘ anzurufen. Und dennoch, als sie ihn so ruhig, so gleichgültig dastehen sah, als ob die Rede des Wachtmeisters ihn gar nichts angehe, da war es ihr, als ob alle Sorge um ihn doch nur unnütz sei.
    „Nun“, sagte der Kosak in strengem Ton zu ihm, „hörst du nicht, daß ich von dir rede? Kannst du nicht antworten?“
    Der Sänger warf ihm einen Blick zu, in dem ebensowohl Erstaunen wie auch Geringschätzung lag. Er antwortete nur dadurch, daß er leicht die Achsel zuckte.
    „Nun, bist du taub?“ rief der Wachtmeister zornig.
    Jetzt hielt der Sänger es für geraten, zu antworten:
    „Man pflegt doch erst dann eine Antwort zu geben, wenn man gefragt wird.“
    Das klang so stolz, so zurückweisend, als ob Alexius mit einem Untergebenen gesprochen habe. Der Wachtmeister fixierte ihn daher erstaunt und entgegnete in zornigem Ton:
    „Ich habe dich ja gefragt!“
    „Nein. Du hast selbst gesagt, daß du nur von mir gesprochen hast. Hörst du, von mir, aber nicht mit mir. Es ist nicht meine Eigentümlichkeit, etwas dazu zu sagen, wenn der erste beste Mensch von mir redet.“
    „Oho! Ich der erste beste Mensch! Schau mich nur an, so wirst du gleich sehen, wer und was ich bin!“
    Der Sänger tat so, als ob er dem Kosaken erst jetzt einen Blick gönne, betrachtete ihn noch schärfer und forschender als vorher und antwortete:
    „Ja, das sehe ich freilich. Du bist ein Kosak. Aber was ist das weiter? Wir Sänger sind freie Leute. Uns hat kein Mensch etwas zu befehlen.“
    „Demjenigen freilich nicht, der wirklich ein Sänger ist. Wer sich aber nur für einen ausgibt, dem kann es leicht schlecht ergehen. Wir müssen hier eine strenge Wache halten. Wo bist du eigentlich her?“
    „Aus Witimska.“
    „Das ist sehr weit oben im Norden. Da bin ich freilich nicht bekannt. Du wirst mir also sagen müssen, ob du eine Legitimation bei dir führst.“
    „Warum? Komme ich dir etwa verdächtig vor?“
    „Sogar sehr. Du siehst einem Mann ähnlich, den wir mit Schmerzen suchen. Du siehst genauso aus wie Alexius Boroda, der berüchtigte Zobeljäger, der so viele Gefangene befreit hat.“
    Fast hätte Mila einen Ruf des Schrecks ausgestoßen. Dieser Alexius Boroda war allerdings seit einiger Zeit in aller Munde. Er war hoch oben im Norden tätig gewesen. Man erzählte sich, daß er Verwandte in Jakutsk besessen habe, denen er ein kühner Retter geworden sei. Nachher sollte er auch eine ganze Anzahl Gefangener aus Nertschinsk befreit haben und sich nun mit all diesen Leuten auf dem Weg nach der Grenze befinden.
    Wenn der Sänger wirklich dieser kühne Zobeljäger war, so stand jetzt alles für ihn zu befürchten, denn der Wachtmeister war als ein strenger, schlauer und rücksichtsloser Mann bekannt.
    Freilich, dem Gesicht nach, das der Sänger zeigte, konnte er der Gesuchte nicht sein, denn er lachte sehr fröhlich und sagte:
    „Brüderchen, da tust du mir viel zu viel Ehre an. Ich wollte mich stolz fühlen, wenn ich ein so berühmter Mann wäre. Wir Dichter sind alle gern ein wenig berühmt; aber leider bin ich nur ein armer unbekannter Sängersmann. Mein Name ist Peter Saltewitsch.“
    Als Alexius diesen Namen nannte, bemerkte er wohl, daß einer der beiden anderen Kosaken ein sehr erstauntes Gesicht machte und sich im Sattel höher emporrichtete, als ob er ihn schärfer beobachten wolle.
    Auch der Wachtmeister hatte das gesehen. Er beachtete es aber jetzt noch nicht, sondern forderte den Sänger auf:
    „So beweise es mir! Zeig mir einmal den Paß und auch die Bescheinigung, daß du die Erlaubnis
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