Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
50 - Deutsche Helden, Deutsche Herzen 02 - Die Königin der Wüste

50 - Deutsche Helden, Deutsche Herzen 02 - Die Königin der Wüste

Titel: 50 - Deutsche Helden, Deutsche Herzen 02 - Die Königin der Wüste
Autoren: Karl May
Vom Netzwerk:
Ich nahm einen Strick mit. Ich habe ihn mir um die Hüften gebunden. Sie helfen mir hinauf und nehmen dann das eine Ende des Stricks fest in die Hände. Ich klettere drüben an demselben hinab und halte so fest, daß Sie hier hinaufklettern und drüben hinabspringen können. Ganz auf dieselbe Weise kommen wir später wieder herüber.“
    „Aber Sie haben da eine Tasche mit, wie ich sehe!“
    „Es stecken einige Geschenke für die Geliebte darin. Also, wollen wir beginnen?“
    „Ja. Ich werde die Hände hinten falten. Sie treten da hinein, und dann auf die Achseln. Kommen Sie!“
    „Da muß ich Ihnen zunächst meine Tasche zu Halten geben. Ich ziehe sie dann an dem Strick empor. Aber seien Sie höchst vorsichtig damit. Es sind einige Kleinigkeiten drin, die sehr leicht zerbrechen.“
    Der Lord hatte die Tasche schon ergriffen; es galt ja zu erfahren, was sich in derselben befand. Sie hatte keinen Bügel, sondern war oben offen. Er griff, als der Derwisch über die Mauer kletterte, schnell hinein und fühlte einen ziemlich langen und starken Holzbohrer, einen runden Wickel, den er für eine Rolle feinen Drahts hielt, mehrere Nadeln von der Gestalt der Haarnadeln, nur länger und auch stärker, eine Blechkapsel in Form einer viereckigen und kaum einen Zoll hohen Schachtel und noch einige Gegenstände, über deren Natur und Zweck er sich nicht so schnell klarwerden konnte.
    Schon nach wenigen Augenblicken war der Lord dem Derwisch nachgeklettert und hatte den Boden jenseits der Gartenmauer glücklich erreicht.
    „Da bin ich“, sagte er. „Was nun weiter?“
    „Weiter nichts, als daß Sie hier warten, bis ich wiederkomme. Ich gehe in diesen Kiosk.“
    Der Kiosk stand ganz in der Nähe. Man konnte ihn trotz der Dunkelheit deutlich sehen.
    „Steckt sie denn drin?“ fragte der Lord, scheinbar sehr neugierig.
    „Ja.“
    „Da hätte sie aber doch herkommen können!“
    „Sie hat gar nicht bemerkt, daß ich da bin.“
    „Hm! Wenn ich sie mir doch einmal ansehen dürfte!“
    „Was Ihnen einfällt! Eine Haremsbewohnerin läßt sich doch nur von dem Geliebten betrachten. Morgen oder übermorgen, wenn wir wiederkommen, können Sie die Ihrige, die sie mitbringen wird, genug angaffen.“
    „Ja, wenn sie wirklich eine mitbringt!“
    „Dafür werde ich sorgen.“
    „Schön! Halten Sie Wort!“
    „Was ich verspreche, das halte ich auch. Also bleiben Sie hier stehen und seien Sie vorsichtig, daß Sie nicht erwischt werden!“
    „Sapperment! Es wird doch niemand kommen!“
    „Es gibt allerdings Gartenaufseher hier, doch glaube ich nicht, daß es einem von ihnen einfallen wird, die Runde zu machen. Sollte dennoch jemand kommen, so legen Sie sich einfach auf den Boden nieder, um nicht gesehen zu werden. Bedenken Sie, wenn man sie erwischt, so kann auch ich nicht wieder hinaus!“
    Mit diesen Worten schlüpfte der Derwisch mit unhörbaren Schritten fort. Der Lord lauschte ein kleines Weilchen. Die tiefe, nächtliche Stille wurde von keinem Laut gestört.
    „Sonderbares Abenteuer!“ dachte er. „Dieser Halunke hat sicherlich kein Mädchen drin. Er bezweckt etwas ganz anderes. Wozu hat er den Bohrer? Wozu sind Draht und Nadeln bestimmt? Was befindet sich in der Blechkapsel? Ich werde doch nicht hier stehen bleiben, sondern werde sehr vorsichtig sein müssen. Aber ich will einmal lauschen. Vielleicht bemerke ich etwas.“
    Er legte sich auf den Boden nieder und kroch auf Händen und Füßen nach dem Gebäude hin. Dort angekommen lauschte er mit angestrengtem Gehör, aber ohne allen Erfolg. Er befand sich an der hinteren Seite des kleinen Gebäudes, das nur aus Holz bestand. Sollte er um die Ecke kriechen, um den Eingang zu erreichen? Nein, das durfte er nicht. Der Derwisch hätte ihn bemerken können und dann seinerseits Argwohn gefaßt. Er blieb also liegen. Und das war gut, denn nach einiger Zeit vernahm er gerade da, wo sich sein Kopf befand, ein leises, eigentümliches Geräusch. Es war jedenfalls mit dem Bohrer verursacht. Er legte nun das Ohr an die Stelle und hielt die Hand daran. Richtig! Jetzt fühlte er die Spitze des Instrumentes, die diesseits durch das Holz drang. Der Derwisch hatte ein Loch gebohrt.
    „Zu welchem Zwecke?“ fragte sich der Lord.
    Da wurde der Bohrer zurückgezogen, und als der Engländer von neuem vorsichtig tastete, fühlte er, daß der ihm bekannte dünne Draht erschien und von dem Derwisch durch das Loch gesteckt wurde. Letzterer schob so lange von innen, bis sich viele Meter des
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher