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50 - Deutsche Helden, Deutsche Herzen 02 - Die Königin der Wüste

50 - Deutsche Helden, Deutsche Herzen 02 - Die Königin der Wüste

Titel: 50 - Deutsche Helden, Deutsche Herzen 02 - Die Königin der Wüste
Autoren: Karl May
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vor ihm.
    Der Lord ließ den Arm erschrocken sinken. Aus dem Dunkel der Nacht tauchte eine männliche Gestalt vor ihm auf und trat zu ihm heran. Der Engländer hatte französisch gesprochen, der andere auch, und doch trug dieser letztere, wie der Lord sah, orientalisches Gewand.
    „Wer hat hier zu fragen?“ meinte der Lord.
    „Ich. Das hören Sie ja.“
    „Freilich höre ich es. Aber mit welchem Recht fragen Sie?“
    „Nun, allerdings nur mit dem Recht der Neugierde. Da Sie so laut ausschreien, daß Sie heiraten wollen, so wollte ich gern wissen, wen.“
    „Das geht Sie nichts an.“
    „Da haben Sie freilich recht. Aber Sie tragen unsere Kleidung und sprechen doch französisch.“
    „Sie ebenso.“
    „Na ja. Ich bin nämlich ein Franzose.“
    „Ich auch.“
    „Halte es aber für besser, mich der hiesigen Tracht zu bedienen.“
    „Ich ebenso.“
    „Also sind wir Landsleute! Was sind Sie denn?“
    „Schiffer.“
    „Ach so! Matrose?“
    Dem Lord war seine Antwort ganz zufällig in den Mund gekommen. Er hielt es nicht für notwendig, die Wahrheit zu sagen. Darum erklärte er weiter:
    „Matrose eigentlich nicht. Ich habe aber einen Kahn und rudere die Leute vom Hafen nach der Stadt.“
    Er hatte sich während seines Spazierganges, um die Phantasie anzuregen, eine Zigarre angebrannt. Jetzt entfernte er die Asche, hielt sein Gesicht nahe an dasjenige des Unbekannten und tat einige kräftige Züge. Dadurch wurde das Gesicht des andern beleuchtet, während der Lord vorsichtigerweise seine Hand so gehalten hatte, daß der spärliche Lichtschein nicht auf das seinige fallen konnte. Der Angeleuchtete trat rasch zurück und sagte in unwilligem Tone:
    „Was tun Sie da?“
    „Ich leuchte Sie an“, antwortete der Gefragte trocken.
    „Das ist nicht nötig.“
    „O ja! Man will doch sehen, mit wem man spricht.“
    Sein Ton war ein unbefangener, aber das war nur erkünstelt, denn er war eigentlich im höchsten Grad betroffen, hatte er doch soeben einen Menschen erkannt, den er hier am allerwenigsten vermutete, nämlich den Derwisch Osman. Das eigenartige Gesicht desselben war gar nicht zu verkennen, obgleich er jetzt nicht die Kleidung der Derwische trug. Natürlich nahm der Lord sich in acht, nicht auch selbst erkannt zu werden. Vielleicht war es dann möglich, etwas von ihm zu erfahren.
    „Sie haben aber doch nichts davon, wenn Sie auch mein Gesicht sehen“, meinte der Derwisch. „Ich bin Ihnen doch unbekannt.“
    „Freilich. Übrigens habe ich Ihr Gesicht, trotzdem ich es erleuchtete, gar nicht sehen können. Eine Zigarre ist leider keine Fackel.“
    „Zu welchem Zweck spazieren Sie denn eigentlich hier herum?“
    „Hm! Aus unglücklicher Liebe.“
    „Was heißt das?“
    „Na, sie mag mich nicht.“
    „Ach so! Wer ist sie denn?“
    „Die Tochter eines Schiffers. Weil ich ein Christ bin, hat sie mir einen Korb gegeben.“
    „Und nun laufen Sie in finsterer Nacht herum und fangen Grillen? Das hilft zu nichts.“
    „Freilich, freilich! Was soll ich aber sonst fangen?“
    „Es gäbe schon etwas anderes zu fangen, wenn Sie nur wollten.“
    „Was denn?“
    „Ein Bakschisch, ein gutes Bakschisch.“
    „Ein Schiffer ergreift jede Gelegenheit, ein Trinkgeld zu verdienen. Soll ich Sie irgendwohin rudern?“
    „Nein. Es ist etwas anderes. Haben Sie Zeit?“
    „Wie lange?“
    „Ein Stündchen ungefähr.“
    „Wenn es nicht länger ist, so stehe ich zur Verfügung.“
    „Schön. Aber ich muß vorher wissen, ob Sie verschwiegen sind.“
    „Unsereiner muß das ja sein.“
    „Gut, so kann ich Ihnen mein Geheimnis mitteilen.“
    Der Derwisch trat näher und sagte in vertraulichem Tone:
    „Ich habe nämlich auch eine.“
    „Eine Zigarre? Soso!“
    „Unsinn! Ich meine eine Geliebte.“
    „Ach so! Sie mag Sie wohl auch nicht?“
    „Im Gegenteil, sie mag mich, aber es hat dennoch seine Schwierigkeiten. Sie ist nämlich Mohammedanerin. Vom Heiraten kann natürlich da keine Rede sein, aber so ein bißchen tändeln und scharmieren – Sie verstehen mich?“
    „Sehr gut.“
    „Sie sind Frauenliebhaber?“
    „Und ob!“
    „So bin ich vielleicht imstande, Ihnen Trost und Ersatz zu bieten. Nämlich die meinige ist in einem Harem.“
    „Donnerwetter!“
    „Es sind eine ganze Menge der allerschönsten Mädchen da. Da wäre wohl auch etwas für Sie!“
    „Ich bin auf der Stelle dabei, auf der Stelle!“
    „Die Schöne hatte mich für heute bestellt. Ich sollte über die Mauer steigen und in den Garten
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