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5 Tage im Sommer

5 Tage im Sommer

Titel: 5 Tage im Sommer
Autoren: Kate Pepper
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verblüfft, als sie Emily sah, und blieb vor ihr stehen.
    »Mrs. Parker, Sie sind aufgestanden!«
    Emily wusste nicht, was sie sagen sollte.
    Dr. Lao lächelte und drückte ein Klemmbrett an die Brust. »Wie fühlen Sie sich denn?«
    »Ein bisschen benebelt«, sagte Emily. »Mir war danach, ein Stück zu gehen.«
    Dr. Lao sah Emily forschend in die Augen, als müsste sie etwas in Erfahrung bringen, was über das Physische hinausging.
    »Wohin gehen Sie denn?«, fragte sie.
    »Nirgendwohin, ich möchte nur gehen.«
    »Kommen Sie, ich helfe Ihnen mit dem Ding da.« Dr. Lao schob sich zwischen den Tropfständer und Emily. Sie hielt den Ständer mit einer Hand und hakte mit dem freien Arm Emily unter, sodass diese sich abstützen konnte. Sie gingen langsam und vorsichtig. Dr. Lao stieß die Doppeltür auf und bugsierte Emily hindurch. Sie befanden sich jetzt auf der Kinderstation, deren himmelblaue Wände mit Wölkchen bemalt waren. Ein handgemalter Regenbogen wölbte sich über einer Anzeigetafel, die über und über von Fotos neugeborener Babys bedeckt war.
    Dr. Lao blieb vor der Collage stehen und zeigte auf das Foto eines Babys in der oberen rechten Ecke. »Das ist meine Tochter Samantha. Sie ist inzwischen schon sieben Monate alt, aber die Schwestern lassen ihr Bild hier hängen, um mir eine Freude zu machen.« Sie berührte die winzig kleine Wange ihres Babys und sah dann Emily an.
    »Allerliebst«, sagte Emily. »Es ist bestimmt nicht leicht für Sie, so selten bei ihr zu Hause sein zu können.«
    Dr. Lao nickte. »Genau.«
    Sie führte Emily den Flur hinunter. Vor einer offenen Tür blieben sie stehen. Emily sah hinein und erkannte ein Bett und eine Pritsche. Auf der Pritsche schlief Will, bekleidet und unrasiert. Sammy lag auf dem Bett, wälzte sich unruhig im Schlaf. Auch ihm lief ein Schlauch in den Arm.
    »Er hängt nur am Tropf, weil er so ausgetrocknet war. Außerdem habe ich ihm etwas gegeben, damit er besser schläft.«
    Beim Anblick von Will und Sam brannten Tränen in Emilys Augen. »Wo sind meine anderen Kinder?«
    »Die sind zu Hause bei Ihrer Mutter und der Schwester Ihres Mannes.«
    »Caro ist hier?« Emily verstand nichts. Caro war doch in Italien.
    »Sie war bis kurz nach Mitternacht noch hier im Krankenhaus. Sie hat alle Formalitäten erledigt und gewartet, bis David entlassen wurde. Ich habe ihn selbst untersucht und kann Ihnen versichern, dass es ihm ausgezeichnet geht. Ihr Schwager hat Sarah und das Baby bereits früher nach Hause gebracht. Der kleinen Maxi geht es übrigens auch bestens.«
    »Sie hat eine Ohrentzündung«, sagte Emily.
    »Ja, ich weiß. Die verheilt aber sehr gut.«
    Emily wurde von einer Welle der Erleichterung erfasst: Sie brauchte sich keine Sorgen zu machen.
    »Wie lange war ich denn fort?«
    »Einschließlich heute fünf Tage.«
    »So lange.«
    Dr. Lao drückte Emilys Arm. »Jetzt ist es ja vorbei.«
    »Darf ich hineingehen?«
    »Was meinen Sie, warum ich Sie hierher gebracht habe?«
    Dr. Lao half ihr an Sams Bett und stellte ihren Tropfständer seitlich gegenüber von seinem ab. Sie hob Sammys Bettdecke und lächelte. »Achten Sie darauf, dass sich die Schläuche nicht verheddern.«
    Emily glitt neben Sammy ins Bett und bemerkte den salzigen Modergeruch des Boots in seinem Haar. Sie küsste seinen Scheitel, beide Augenlider und seine Nase. Die eine Wange und dann die andere und sein Kinn. Als sie wieder aufsah, war Dr. Lao gegangen.
    Sammy holte lange und tief Luft. Er warf ein Bein über Emilys, wie er es zu Hause tat, wenn sie beim Vorlesen kuschelten. Sie schob einen Arm unter seinen Nacken, umschlang ihn mit dem anderen und zog ihren Sohn fest an sich.
    Er blinzelte. »Mommy.«
    »Ich liebe dich, Sammy.« Sie küsste seine Stirn.
    Seine kleinen Hände klammerten sich an ihren Rücken, als wollte er sie nie wieder gehen lassen, als fürchtete er, sie hätte vielleicht noch etwas Besseres vor. Das hatte sie nicht, und sie würde es auch niemals haben.
    »Erzähl mir eine Geschichte, Mommy.«
    Das dämmerige Zimmer und Wills ruhige Atemzüge brachten ihr Wörter zurück ins Bewusstsein, die Emily schon lange vergessen zu haben meinte. Sie beugte ihren Kopf zu Sams Kissen hinunter, sodass ihre Stirn die ihres Sohnes berührte, und flüsterte ihm eine Geschichte ins Ohr, die er schon mit zwei Jahren geliebt hatte. In dem kleinen Wald schlief ein großer Bär . Auf dem großen Bär schlief eine kleine Maus . Und in seinen Träumen tanzte die kleine Maus auf
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