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42 - Waldröschen 01 - Das Geheimnis des Bettlers

42 - Waldröschen 01 - Das Geheimnis des Bettlers

Titel: 42 - Waldröschen 01 - Das Geheimnis des Bettlers
Autoren: Karl May
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ruhig zustimmend, als ob er mit der größten Hochachtung behandelt worden sei, und fügte zu den Worten des Haushofmeisters:
    „Ich bin nämlich Erzieher in demselben Haus, in welchem Señora Wilhelmi konditionierte, ehe sie die gegenwärtige Stellung annahm. Ich halte es für meine Pflicht, ihr eine Visite abzustatten.“
    „Das ist nicht notwendig!“ erklärte der Herzog.
    „Warum nicht?“ fragte Sternau. „Ob dieser Besuch ein notwendiger sei oder nicht, das vermag doch wohl nur ich selbst zu beurteilen, da nur ich es bin, der seinen Zweck kennt.“
    „Sie werden die Señora nicht sprechen. Gehen Sie!“ befahl der Herzog kurz.
    Jetzt nahm die Miene des Erziehers einen ganz anderen Ausdruck an, einen Ausdruck, vor welchem die beiden anderen unwillkürlich zurückwichen.
    „Wenn Sie es wünschen, Durchlaucht, so werde ich allerdings gehen“, erklärte er mit blitzendem Auge, „aber ich werde mit polizeilicher Begleitung zurückkehren, um die Gründe untersuchen zu lassen, in Folge deren meine Freundin für mich unsichtbar bleiben soll.“
    „Sie spricht und empfängt überhaupt keinen Menschen.“
    Daß der Herzog diese Antwort gab, bewies, daß er den Erzieher einigermaßen fürchtete.
    „Ah, wird sie etwa als eine Gefangene behandelt?“ fragte dieser.
    „Nein. Sie ist krank.“
    „Krank? Darf man sich nach dieser Krankheit erkundigen?“
    „Ein Blutsturz.“
    „Wann?“
    „Vor fünf Wochen.“
    „Welcher Arzt behandelt sie?“
    „Sie befindet sich in guten Händen.“
    Sternau blickte die beiden anderen forschend an und sagte dann mit sehr ernster Miene:
    „Señors, ich kenne meine Stellung, aber auch die Eurige. Wenn Señora Wilhelmi krank ist, so will ich sie nicht stören, obgleich ich großen Anteil an ihrem Schicksal nehme; sollte sich hier jedoch ein dunkler Punkt herausstellen, so werde ich ihn aufhellen. Verlaßt Euch darauf.“
    „Ah, soll das eine Drohung sein?“ fragte Olsunna.
    „Ja“, antwortete Sternau freimütig.
    Da streckte der Herzog den Arm aus und deutete nach der Tür.
    „Hinaus!“ gebot er mit erhobener Stimme.
    „Pah!“ lächelte der Erzieher, indem er einen Schritt noch näher trat. „Wir kennen uns doch, und Sie wissen ganz genau, ob ich der Mann dazu bin, sich einer Unartigkeit unterzuordnen. Der Mann, welcher einen Unverschämten auf der Straße niederschlug und einen zudringlichen Wüstling zur Treppe hinabwarf, geht nur dann, wenn es ihm beliebt. Und da es mir gerade jetzt beliebt, so gehe ich, verspreche jedoch, daß ich wiederkommen werde.“
    Er machte eine ironische Verbeugung und verließ das Zimmer.
    „Ihm nach, Cortejo!“ gebot der Herzog. „Laß ihn aus dem Tor werfen!“
    „Verzeihung“, antwortete der Haushofmeister. „Wollen wir nicht lieber einen solchen Eklat vermeiden? Er geht ja selbst. Und wenn wir ihn von der Dienerschaft fassen lassen, so ist er unverschämt genug, sich zur Wehr zu setzen.“
    „Das ist richtig!“ rief Olsunna zornig. „Und Körperkräfte besitzt dieser Zwerg für zehn. Diese Deutschen sind wahre Bären!“
    „Aber nachsehen will ich doch“, meinte Cortejo, „ob er sich nicht doch vielleicht den Zutritt zu der Gouvernante erzwingt.“
    Diese Vorsichtsmaßregel erwies sich als unnötig. Sternau verließ das Palais und kehrte nach seiner Wohnung zurück; aber er hatte Verdacht geschöpft und nahm sich vor, Nachforschungen anzustellen. Die Konstitution der Gouvernante war doch ganz und gar nicht zu Blutstürzen geneigt, und wenn sie wirklich unter einem solchen Leiden darniederlag, so mußte der Anfall Gründe gehabt haben, an welche ohne Verdacht gar nicht zu denken war.
    Daher kam es, daß Sternau bereits am Abend desselben Tages dem Palais gegenüberstand, um dasselbe zu beobachten. Er hatte einen günstigen Augenblick getroffen, denn er sah den Haushofmeister aus dem Portal treten. Da jetzt selbst der geringste Umstand von Bedeutung sein konnte, so folgte er ihm von weitem. Cortejo stand im Begriff, Clarissa, seine Geliebte, zu besuchen. Sternau sah ihn in das betreffende Haus eintreten. In dem Haus gegenüber wohnte ein Gehilfe des Buchhändlers, bei welchem er seine sämtlichen Bücher kaufte, er kannte diesen Gehilfen nicht bloß, sondern er war sogar einigermaßen mit ihm befreundet. Er sah an einem offenen Fenster des Hauses, in welches Cortejo eingetreten war, ein Mädchen stehen, welches sich umdrehte, wie um einen Eintretenden zu empfangen; dann kam sie mit Cortejo an das Fenster zurück.
    „Ah“,
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