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42 - Waldröschen 01 - Das Geheimnis des Bettlers

42 - Waldröschen 01 - Das Geheimnis des Bettlers

Titel: 42 - Waldröschen 01 - Das Geheimnis des Bettlers
Autoren: Karl May
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leichenblaß im Gesicht aussah.
    „Ah, du bist noch munter!“ sagte er. „Oh, es ist schrecklich!“
    „Was?“ fragte der Haushofmeister bestürzt.
    „Ja, schrecklich!“ wiederholte der Herzog, der sich ganz fassungslos in einen Stuhl warf.
    „Sie machen mich bange, Durchlaucht! Was ist geschehen?“
    „Der Teufel hole diese Geschichte! Das wird einen fürchterlichen Spektakel geben!“
    „Aber, mein Gott, was gibt es denn?“
    „Cortejo, was mache ich?“
    „Ja, weiß ich es? Ich weiß ja noch gar nicht, um was es sich handelt. Hat das Mittel gewirkt?“
    „Oh, nur zu gut! Aber dann –“
    „Dann?“
    „Dann, als die Wirkung vorüber war, ist sie aufgestanden und hat sich ein Messer in die Brust gestoßen.“
    Cortejo schlug entsetzt die Hände zusammen.
    „Heilige Madonna! Ist sie tot?“
    „Nein, noch nicht; aber das Zimmer schwimmt im Blut. Sie ist ohnmächtig. Ich habe ihr das Messer aus der Wunde gezogen. Es war zum Glück nur ein Federmesser.“
    „So muß schnell ein Arzt geholt werden, Exzellenz!“
    „Wo denkst du hin. Es würde damit ja alles verraten sein. Sinne auf etwas anderes!“
    „Ah, ich weiß etwas!“ rief Cortejo erfreut.
    „Was?“
    „Ich habe die Zigeunerin noch bei mir, welche den Trank gebracht hat. Sie versteht es, Wunden zu behandeln. Soll ich sie rufen?“
    „Schnell, schnell!“
    „Zarba!“
    Zarba, welche vom Nebenzimmer aus die Unterredung mit angehört hatte, trat herein. Der Herzog hatte erwartet, ein altes, häßliches Weib zu sehen, und war nicht wenig überrascht, als er einen jungen, hübschen Knaben erblickte.
    „Wer – wer ist das?“ fragte er betreten.
    „Die Zigeunerin“, antwortete Cortejo.
    „Es ist doch ein Junge!“ sagte der Herzog. Dabei jedoch überflog sein Auge mit einem schärferen Blick die Gestalt der vor ihm Stehenden, und nun erkannte er seinen Irrtum. „Ah, ist es möglich!“ rief er. „Wahrhaftig, ein Mädchen! Ist das die ‚alte‘ Zigeunerin, von der du sprachst?“
    „Ja“, antwortete der Haushofmeister verlegen.
    „Spitzbub! Aber wir haben keine Zeit.“ Damit trat er näher an das Mädchen heran, faßte es beim Kinn und fragte:
    „Wie heißt du?“
    „Zarba“, antwortete sie.
    „Du bist es, der mir den Trunk gebracht hat?“
    „Ja.“
    „Kannst du Krankheiten heilen?“
    „Alle.“
    „Auch Wunden?“
    „Ja, wenn sie nicht sofort tödlich sind.“
    „So folgt mir beide, aber leise. Es darf uns kein Mensch hören.“
    Als sie das Zimmer der Gouvernante erreichten, lag diese auf dem Sofa. Ihre Augen waren geschlossen, und ihr Gesicht sah bleich aus wie das einer Toten. Auf der Diele erblickte man mehrere große Blutpfützen.
    Zarba trat sogleich zu ihr, um sie zu untersuchen. Dies dauerte nicht lange, dann wandte sie sich an den Herzog und fragte:
    „Sie haben ihr von dem Trank eingegeben?“
    „Ja.“
    „Wieviel?“
    „Fünf Tropfen.“
    „Was ist sie?“
    „Gouvernante.“
    Das Mädchen nickte sehr ernst und nachdenklich mit dem Kopf und sagte dann:
    „Sie ist nicht tot; aber sie will sterben. Einen Arzt dürft Ihr nicht holen. Ich bin schuld daran und werde bei ihr bleiben. Darf ich?“
    „Ja“, nickte der Herzog.
    „So hört, was ich um ihret-, um meinet- und um Euretwillen verordne: Jetzt verbinde ich sie einstweilen; sodann gehe ich, um Pflanzen zu suchen, welche die Wunde heilen. Von da an pflege ich sie, bis sie wieder gesund ist; aber kein Mensch darf hier eintreten. Sie wird das Wundfieber bekommen; sie wird phantasieren; sie wird alles erzählen und uns verraten. Deshalb darf nur ich allein zu ihr.“
    „Ich nicht?“ fragte der Herzog.
    „Nein. Ihr Anblick könnte tödlich sein.“
    „Teufel, so mag sie sterben!“
    Zarba warf einen flammenden Blick auf ihn und sagte:
    „Ich sehe erst jetzt ein, was ich begangen habe; es ist eine große, schwere Sünde, die ich gar nicht wiedergutmachen kann. Sie sind ein Teufel! Aber vergessen Sie nicht, daß der Tod dieser Señora Ihnen viele Sorgen machen kann. Ihre Leiche müßte ärztlich untersucht werden, man fände den Messerstich und würde eine Untersuchung des Falles anstellen.“
    Der Herzog sah die Zigeunerin, welche in diesem Ton mit ihm zu sprechen wagte, verwundert an und sagte dann:
    „Gut, tue, was du willst. Cortejo mag für alles sorgen. Nur bitte ich, das Blut sorgfältig zu entfernen. Ihr habt den Trunk verschafft, mich geht die Sache nichts mehr an!“
    Er entfernte sich. Auch Zarba ging, nachdem sie die Verwundete verbunden
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