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41 - Unter heisser Sonne

41 - Unter heisser Sonne

Titel: 41 - Unter heisser Sonne
Autoren: Karl May
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Höhe saßen still wie in goldener Flut; um die ragende Gestalt des Scheiks zuckten diamantene Funken, und Merhameh, die auf einen der Sitzsteine gestiegen war, um weiterhin gesehen und gehört zu werden, schien nicht mehr ein irdisches Geschöpf, sondern ein Wesen aus jener Welt zu sein, in deren Licht sie jetzt zum Volk sprach. Ihre Konturen waren in rosigen Äther getaucht. Ihr Gewand erglänzte, wenn sie im Sprechen sich bewegte, je nachdem die Falten desselben nach der Licht- oder nach der Schattenseite fielen, bald in purpurnen, bald in silberblauen Tönen. Ihr dunkles, nur im Nacken zusammengehaltenes, sonst aber frei, offen und lang herabwallendes Haar schien im Luftzug wie von unzähligen Rubinen und Smaragden übersät. Und als jetzt eine leichte Wolke sich wie ein Schleier durch das Leuchten zog, hatte es den Anschein, als ob das schöne Fürstenkind von der Erde hinweggenommen werden solle, um mit dem Abendrot im Jenseits zu verschwinden.
    Nicht nur ich allein fühlte den tiefen Eindruck dieser so wunderbar bewegten Gestalten, Linien und Farben; sie wurden auch von dem neben mir stehenden Manazah empfunden. Er wandte kein Auge davon ab, holte tief, sehr tief Atem und fragte: „Wer ist dieses Kind, dieses Mädchen, dieses Weib? Dieses schöne, fremde Wesen, welches ich noch nie gesehen habe und dem die Münazah doch alle gehorchen?“
    „Es ist Merhameh, die Tochter des Fürsten von Halihm“, antwortete ich.
    „Merhameh, die Barmherzige?“ fragte er, indem sein Auge leuchtete und sein Gesicht einen ganz anderen Ausdruck annahm. „Sie, sie, die in den Herzen aller Menschen und in den Versen aller Dichter lebt? Allah ich danke dir, daß du es mir vergönntest, sie zu sehen, den Blick ihres Auges und den Ton ihrer Stimme in mich aufzunehmen! Nun bin ich frei, frei, frei! Kein Münazah kann ihr widerstehen!“
    Er setzte sich vor unserem Zelt nieder, und ich nahm an seiner Seite Platz. Halef war mit dem Satteln der Pferde schnell fertig, legte unsere Gewehre zurecht und gesellte sich dann zu uns. Unweit unseres Zeltes gab es in einer weiteren Hürde eine prächtige Asfar-Stute (Isabellfarben), die reines, edles Blut zu sein schien. Ich machte Ali Ben Masuhl darauf aufmerksam, daß er möglicherweise schnell ein Pferd brauche, um zu fliehen, und zwar unter unserem Schutz. Da deutete er nach der erwähnten Hürde und sagte: „So werfe ich mich auf das beste Pferd des ganzen Stammes, welches du dort stehen siehst. Da holt mich keiner ein. Das meinige ist für jetzt unbrauchbar. Es erlahmte unterwegs an einer Verletzung des Hufes. Das war der Grund, daß es den Münazah möglich wurde, mich zu fangen. Aber ich glaube nicht, daß ich zu fliehen habe. Wen Merhameh beschützt, den zwingt kein Mensch zur Flucht.“
    Er begann, von ihr zu erzählen. Er hatte dabei eine ganz eigene Art, sich auszudrücken. Er sprach nicht nur korrekt, sondern auch enthusiasmiert und in Ausdrücken und Wendungen, die nur auf der Zunge eines Dichters üblich sind. Sein Gesicht verklärte sich. Er stieg in unseren Augen dabei nicht nur äußerlich, sondern auch innerlich an Wert. Er war keinesfalls ein gewöhnlicher Mensch.
    Inzwischen brach der Abend herein, aber es war ein heller Abend. Der Mond hatte schon längst am Firmament gestanden und schien nur auf den Sonnenuntergang gewartet zu haben, um zu beweisen, daß auch er ein Spender des Lichts sei. Man weiß, daß er schon seit undenklichen Zeiten zu der über den ganzen nächtlichen Himmel verbreiteten Sekte der Magier gehört und in allem, was er tut, zur Heiligung und zur Andacht neigt. So erteilte er auch dem vor uns liegenden Richtplatz und dem, was jetzt dort geschah, jenen geheimnisvollen, magischen Schimmer, der uns zu der Empfindung erhob, daß es sich hier nicht um das kleine Schicksal zweier unbedeutender Beduinenstämme, sondern um eine Darstellung großer, allgemeiner Menschheitsschicksale handle.
    Da sahen wir, daß Merhameh die Höhe verließ. Sie kam zu uns hernieder. Ali Ben Masuhl sprang auf und holte ein Kissen aus dem Zelt für sie. Sie verschmähte es nicht, sich darauf niederzulassen. Er aber blieb stehen, an die Stange des Zeltes gelehnt, obgleich sie ihn mit der Hand wiederholt aufforderte, sich wieder niederzusetzen. Sie berichtete: „Ich habe zu ihnen gesprochen. Ich habe ihnen alles gesagt, was das Menschenherz zu solchem Mord und Frevel zu sagen hat. Nun beraten sie. Der Scheik ist gewonnen. Er wird kommen und uns das Ergebnis mitteilen.“
    Hierauf
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