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41 - Unter heisser Sonne

41 - Unter heisser Sonne

Titel: 41 - Unter heisser Sonne
Autoren: Karl May
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Umständen war es gewiß ein Beweis außerordentlichen Mutes, sich im Ordenskleid unter die halb betrunkenen Krieger der Revolution zu wagen, eine Kühnheit, welche sehr leicht verhängnisvoll werden konnte.
    Ein bärtiger Sergent-major war der erste, welcher den eingetretenen Fremden anredete:
    „Holla, Bürger, woher des Weges?“
    „Ein wenig von der Durance herunter.“
    „Und wohin, he?“
    „Nach Beausset hinein.“
    „Was willst du dort?“
    „Einen Freund besuchen. Hast du vielleicht etwas dagegen?“
    „Hm! Vielleicht, vielleicht auch nicht.“
    „Aaah!“
    Er stieß diesen Laut nur langsam und leise aus, aber es wäre wohl nicht möglich gewesen, einer ironischen Stimmung sprechender Luft zu machen. Er legte die Beine übereinander, schlug die Arme über der Brust zusammen und blickte den Sergent-major mit Augen an, in denen alles, nur keine Bewunderung zu lesen war. Dieser junge Mann konnte höchstens zwei oder dreiundzwanzig Jahre zählen, aber diese hohe Stirn, diese breiten Schläfen, die dichten Brauen, der mächtige Blick, die scharfe Adlernase, der energisch gezeichnete Mund, der sehnige, von der Sonne gebräunte und vom Hemdkragen bloßgelassene Hals, die breiten Schultern, der geschmeidige Gliederbau, das alles machte den Eindruck des Gereisten, des Achtungsgebietenden, des Ungewöhnlichen.
    „Was wunderst du dich da, Bürger?“ fragte der Unteroffizier. „Glaubst du, daß zum Hauptquartiere in Beausset ein jeder Zutritt habe, dem es beliebt?“
    „Das glaube ich nun freilich nicht; aber glaubst du vielleicht, Bürger Sergent-major, daß du es bist, den man um die Erlaubnis zu fragen hat?“
    „Schweig! Ein jeder Soldat hat die Pflicht, die Sicherheit des Heeres zu bewachen! Wie ist dein Name, Bürger?“
    „Surcouf“, antwortete der Gefragte mit einem etwas maliziösen Zug um seine Mundwinkel.
    „Der Vorname?“
    „Robert, Robert Surcouf.“
    „Was bist du?“
    „Seemann.“
    „Ah, darum tappst du in aller Seelenruhe wie eine Ente da draußen im Wasser herum! Wer ist der Freund, den du besuchen willst?“
    „Der Bürger Grenadier Andoche Junot.“
    „Andoche Junot (derselbe Junot, welcher später Herzog von Abbrantes wurde), der Advokat gewesen ist?“
    „Ja, derselbe.“
    „Das ist ein guter Kamerad. Woher kennst du ihn?“
    „Wir sahen uns zu Bussy le Grand, wo er geboren wurde.“
    „Das stimmt! Du bist legitimiert, Bürger Surcouf. Junot steht bei meiner Kompanie; ich werde dich zu ihm bringen. Vorher aber magst du mit uns trinken.“
    „Was habt ihr für Sorten?“
    „Nur eine: Roussillon; aber ist stark und lieblich zugleich. Probiere ihn!“
    Der Wirt brachte ein großes Humpenglas des berühmten Getränks, und alle Hände streckten sich aus, es auf Rechnung des Fremden anzutrinken. Dieser ließ sich dies lachend gefallen; er gab zu, daß man das Glas immer von neuem füllen ließ und wieder austrank, und als der Wirt wegen der Bezahlung ein bedenkliches Gesicht zu machen begann, zog er eine Handvoll Assignaten aus der ledernen Brieftasche und warf davon mehr als nötig auf den Tisch. Bei diesem Anblick erhob sich großer Jubel; der Wirt mußte von neuem füllen, und nun wurde auch der geistliche Herr bedacht, dem man bisher noch keinen Schluck gegönnt hatte. Der Sergent-major trat zu ihm, hielt ihm den Humpen entgegen und forderte ihn auf:
    „Steh auf, Bürger Confrère, nimm das Glas, und trinke auf das Wohl des Convents, der den Papst zum Land hinausgeworfen hat!“
    Der Priester erhob sich wirklich und ergriff das Glas; aber anstatt den geforderten Toast zu bringen, sprach er mit sanfter, jedoch fester Stimme:
    „Gott hat uns diese Gabe nicht zur Lästerung gegeben. Im Weine ist Wahrheit, und ich will nicht eine Lüge sagen. Ich trinke auf das Wohl des Heiligen Vaters in Rom, den die Heerscharen des Himmels beschützen werden!“
    Er wollte das Glas zum Mund führen, aber ein Faustschlag des Sergent-major schmetterte es ihm aus der Hand, so daß es am Boden in Stücke zerschellte.
    „Was fällt dir ein, Bürger Confrère!“ rief der Unteroffizier. „Weißt du nicht, daß in unserem schönen Frankreich der alte Saint-Père abgesetzt worden ist? Wie lange wird es dauern, so wirft man auch euch selbst hinaus mit allem, was ihr uns weisgemacht habt! Ich befehle dir, deinen Toast zu widerrufen!“
    Da drängte sich ein anderer, ein Tambourmajor, hinzu:
    „Halte-là, Alter! Warum zerschlägst du ihm das Glas? Bürger Wirt, gib ein neues, volles her! Dieser
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