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41 - Unter heisser Sonne

41 - Unter heisser Sonne

Titel: 41 - Unter heisser Sonne
Autoren: Karl May
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nach Sisteron.“
    „Dorthin kannst du auch morgen gehen, mein frommer Bruder. Bis dahin magst du in Beausset mein Gast sein; vorher aber wollen wir hier mit drei tapferen Bürgern noch ein Glas trinken. Ich finde diesen Roussillon sehr gut und muß ja auch mein Tischbein bezahlen.“
    Der wackere Seemann schien sich in seine Gefangenschaft sehr leicht zu finden. Es war ihm nicht die mindeste Abnahme seiner guten Laune anzumerken, und als dann später aufgebrochen wurde, ertrug er den strömenden Regen mit derselben Geduld, mit der er ihn vorher ertragen hatte.
    Beausset ist noch heute ein kleiner Ort von nicht viel über 3.000 Einwohnern. Es gibt dort eine Wollweberei, und in der Umgebung wird ein gutes Olivenöl und ein leidlicher Rotwein gebaut. Als die beiden Gefangenen dort anlangten, wurden sie nach dem Haus geführt, in welchem der Oberstkommandierende, General Cartaux, sein Quartier aufgeschlagen hatte, und dort in eine enge, dunkle Kammer eingesperrt, deren einziges Fenster durch den Laden dicht verschlossen war.
    „So, hier liegen wir vor Anker“, meinte Surcouf. „Leider gibt es weder Hängematten noch Daunenbetten. Wir müssen uns mit dem Bewußtsein fügen, daß man uns bald aus dieser Koje erlösen wird.“
    „Ich wenigstens habe das nicht zu hoffen“, seufzte Bruder Martin.
    „Nicht? Warum?“
    „Weißt du nicht, Bürger Surcouf, daß es jetzt in Frankreich kein größeres Verbrechen gibt, als dem Willen des Convents zu trotzen? Ich habe meinen priesterlichen Eid abgelegt und kann keinen anderen schwören. Ich sehe böse Tage für mich kommen, aber ich bleibe meinem Schwur treu.“
    Da ergriff Surcouf die Hände des Gefährten, und seine Stimme klang ganz anders als bisher, indem er nun in bewegtem Ton sagte:
    „Das vergelte dir Gott, Bruder Martin! Viele, viele sind gefallen; andere wiederum sind freiwillig in die Verbannung gegangen oder bleiben mutig im Land, um mit der Hydra des Unglaubens und der Vergewaltigung zu kämpfen. Ich bin nicht der sorglose Mann, der ich scheine. Ich sehe eine Zeit kommen, in welcher man auch das Allerheiligste verleugnen wird, nachdem man vorher das Heilige beschimpfte, eine Zeit, in welcher es starke Geister und gewaltiger Arme bedarf, um das Vaterland vor der Herrschaft des Schreckens zu befreien und unserem Volk die ihm von Gott angewiesene Stellung unter den Nationen zu erhalten. Es wird große Kämpfe geben; es werden Ströme Blutes fließen; es wird ein gigantisches Ringen des einen gegen alle sein. Das Weizenkorn, welches unter dem Unkraut der Revolution verborgen liegt, wird aufgehen, doch werden dunkle Wolken es beschatten, und Stürme es knicken wollen. Da gilt es, wach und munter zu sein; da gilt es, sich beizeiten im Kampf zu üben und zu stählen, damit ein jeder an seinem Platz sei, wenn die Kräfte gemessen werden. Ich bin ein Sohn des Vaterlandes, und auch ich habe die Pflicht, treu und stark zu ihm zu halten in aller Not und Gefahr. Darum habe ich mich ihm zum Dienst angeboten, aber man hat mich abgewiesen, weil ich offen bekenne, daß ich nicht zu denen gehöre, welche den Stuhl Petri stürzen und Christus abermals an das Kreuz schlagen möchten. Wegen einer offenen Rede habe ich aus Paris flüchten müssen; ich ging an andere Orte und wurde wieder abgewiesen; nun komme ich nach Toulon, um den letzten Versuch zu machen. Ich werde mit den Generälen Cartaux und Doppet sprechen; ich werde auch mit diesem Colonel Bonaparte reden; er hat das Gesicht eines Mannes, welcher wachsen wird; vielleicht erreiche ich hier am letzten Ort, was mir anderwärts versagt worden ist.“
    Der Priester hielt seinen Blick erstaunt auf den Sprecher gerichtet. Dieser junge Mann war auf einmal ein ganz anderer geworden; der fröhliche, sorglose, unbekümmerte Jüngling stand plötzlich da als ein Mann, dessen Auge prophetisch in die Ferne blickte, dessen Rede begeistert von den Lippen floß, und dessen Aufgabe auf ein großes Ziel gerichtet war.
    „Mein Sohn“, sagte Bruder Martin, „ich höre aus deinem Mund Worte eines Mannes, dessen Weg zur Höhe führen muß. Was auch die Zukunft dir beschieden haben mag, sei stets der ewigen Wahrheit eingedenk, daß der Mensch nichts Gutes tut als nur in Gott, und daß er einen Richter hat für jeden Gedanken, jedes Wort und jede Tat, die er vollbringt. Dein Fuß wird nicht gewöhnliche Pfade wandeln; laß dich bei jedem Schritt von dem Licht leiten, welches kein Convent und keine Revolution verlöschen kann.“
    Nach diesen
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