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40 Stunden

40 Stunden

Titel: 40 Stunden
Autoren: Kathrin Lange
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die Männer des Sondereinsatzkommandos die Halle stürmten, hatte ihn die Kraft verlassen. Er war zusammengebrochen. Das Letzte, was er gesehen hatte, war ein abgerissener Finger mit rot lackiertem Nagel gewesen, der direkt vor ihm auf den geschwärzten Fliesen lag und auf ihn wies, als wollte er ihn anklagen…
    Faris räusperte sich. Ruhig bleiben! Dieser unbekannte Anrufer konnte nicht der Bombenleger von damals sein. Das war unmöglich! » Die Kollegen von der Spurensicherung haben uns versichert, dass niemand eine derartige Explosion überleben kann«, murmelte er. Ben Schneider, einer der Experten vom KTI , hatte es drastischer ausgedrückt: » Das Schwein hat es in Stücke gerissen«, hatte er gesagt.
    Der Mann lachte abermals.
    Faris schluckte schwer. » Was wollen Sie?«
    » Check deine Mails!«
    Faris presste die Lippen zusammen und tippte auf den kleinen Bildschirm seines Smartphones. Er startete die entsprechende App, loggte sich bei seinem E-Mail-Provider ein, und eine Eingangsliste erschien. Nur eine einzige Mail war darin. Faris öffnete sie. Sie enthielt keine Nachricht, lediglich eine Datei war angehängt. Faris klickte sie an.
    Ein Film begann zu laufen.
    In den ersten drei, vier Sekunden war das Bild unscharf. Nichts außer einem Haufen verwaschener Flecken in Grau und Schwarz und ein wenig Grün und Blau. Schweres Atmen war zu hören, ein Geräusch wie ein unterdrücktes Schluchzen. Dann unverständliches Gemurmel. Im nächsten Moment wurde die Darstellung scharf.
    Und Faris erstarrte.
    Ein Mann war zu sehen. Er lag mit ausgebreiteten Armen auf einer kreuzförmigen Balkenkonstruktion. Das Bild zoomte auf sein bleiches Gesicht, das überströmt war von Blut, das unter einer Dornenkrone hervorquoll. Die Augen waren vor Entsetzen unnatürlich weit aufgerissen. Die Kamera schwenkte am Körper des Mannes hinunter, auf dessen Brust nun helle Kreise zu erkennen waren, die auf den ersten Blick völlig fehl am Platz wirkten. Beim zweiten Hinsehen begriff Faris jedoch, dass es sich um Elektroden handelte.
    Das Bild zoomte wieder auf.
    Ein weiterer Mann erschien in dem Bildausschnitt, aber während man den ersten deutlich erkennen konnte, wandte dieser hier der Kamera den Rücken zu. Die Kapuze eines Sweatshirts war ihm so tief über die Stirn gezogen, dass sie sein Gesicht vollständig verbarg. In der Hand hielt er einen spannenlangen Nagel und einen schweren Hammer.
    Faris zog scharf die Luft durch die Zähne. Ohnmächtig sah er mit an, wie der Mann mit der Kapuze sich neben dem anderen auf ein Knie niederließ. Wie er die Spitze des Nagels mitten auf die Handfläche des Opfers setzte.
    Und mit dem Hammer ausholte.
    Der Schlag war wuchtig ausgeführt, und er trieb den Nagel durch Fleisch und Knochen und tief in den Holzbalken darunter.
    Voller Entsetzen riss Faris die Augen auf.
    Das Opfer warf den Kopf zur Seite, aber es schrie nicht, sondern stöhnte nur leise. Blut quoll aus der Wunde. Es wirkte fast schwarz.
    » Scheiße!«, murmelte Faris.
    Der Täter nagelte auch die andere Hand fest. Als er sich den Füßen seines Opfers zuwandte, begann er jedoch zu zittern. Diesmal gelang ihm der Hieb nicht präzise genug, um den Nagel bis in das Holz zu treiben. Der Mann musste neu ausholen.
    Der Gekreuzigte stöhnte abermals, als sich der Nagel weiter durch die Füße bohrte.
    Schwer atmend legte der Täter den Hammer beiseite. Mehrere Sekunden lang kniete er einfach da. Schließlich nahm er zwei rote Seile, die sorgsam zusammengerollt neben dem Kreuz lagen. Jeweils eines schlang er um den Oberarm seines Opfers und knüpfte einen Knoten. Dann befestigte er ein ganzes Bündel Kabel an den Elektroden auf der Brust des Gekreuzigten und verband sie mit einem kleinen Kästchen, das er an dessen Lendenschurz klemmte.
    Erst danach erhob er sich mit einer schwerfälligen Bewegung. Er trat zur Seite, verschwand aus dem Bild. Ein gleichmäßiges, schnelles Piepsen setzte ein, und Faris vermutete, dass ein Herzmonitor angeschaltet worden war.
    Eine schwere Kette rasselte.
    Das Kreuz richtete sich auf. Kurz zoomte das Bild direkt auf das Gesicht des Opfers, und Faris konnte den Blick nicht von dessen Augen wenden. Zu dem Entsetzen, das in ihnen glitzerte, war etwas anderes hinzugekommen– eine Art Abwesenheit, die darauf hindeutete, dass der Mann unter Drogen stand. Vermutlich war das der Grund dafür, dass er nicht vor Schmerzen brüllte. Das Bild weitete sich und erfasste wieder die ganze Szenerie. Als das Kreuz beinahe
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