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40 Stunden

40 Stunden

Titel: 40 Stunden
Autoren: Kathrin Lange
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Freundin, hörte er Iras Stimme in seinen Gedanken. Ihr Vater hat eine Trattoria in Charlottenburg.
    Da Rossi stand auf dem Schild über der Tür.
    Faris musste lächeln. Hatte sein Unterbewusstsein ihn hierhergeführt? Er betrachtete den gemütlichen Schankraum durch die Fensterscheibe hindurch. Ungefähr die Hälfte der mit rotkarierten Tischtüchern versehenen Tische war besetzt. Es roch nach Pizza und Knoblauch, und plötzlich merkte Faris, dass er hungrig war. Iras Toast heute Morgen war das Einzige, das er in den vergangenen fast vierzig Stunden gegessen hatte.
    Seine Hand tastete in die Innentasche seiner Jacke. Seine Geldbörse hatte er dabei.
    Kurzentschlossen betrat er das kleine Lokal. Eine junge Frau mit seitlich gebundenem Pferdeschwanz begrüßte ihn freundlich. » Einen Tisch für zwei?«, fragte sie. Jasmin, vermutete er. Er schüttelte den Kopf. » Ich bin allein.«
    Sie sah sich um, überlegte. Links vom Eingang führten einige Stufen zu einer etwas erhöhten Ebene hinauf. Dort oben befanden sich vier Tische, und alle waren leer. Faris verspürte den Stich der Enttäuschung. Hatte er wirklich gehofft, Ira hier zu treffen?
    Die junge Frau führte ihn die Stufen hoch und zu einem der Tische. » Ich bringe Ihnen gleich die Karte«, sagte sie. » Möchten Sie schon etwas zu trinken bestellen?« Eine halbhohe Mauer trennte diesen Teil des Restaurants vom Rest ab und schuf eine gemütliche Atmosphäre. Über einem der Stühle am Nachbartisch hing eine Frauenjacke. Keine Handtasche an der Stuhllehne. Offenbar war die Frau, die hier saß, gerade auf der Toilette. Ein halb ausgetrunkenes Glas Rotwein stand auf dem Tisch.
    Faris’ Blick heftete sich darauf. Er überlegte kurz. » Bringen Sie mir ein Glas Wein«, bat er.
    » Trocken?«
    Er hatte keine Ahnung, ob er trockenen Wein mochte. Er wusste ja nicht einmal, ob er überhaupt Wein mochte, aber er nickte.
    Die junge Frau verschwand. Eine Bedienung erschien und brachte ihm das Gewünschte. Er nahm das Glas, blickte in die dunkelrote, schimmernde Flüssigkeit und zögerte zu trinken.
    » Ich dachte, du trinkst keinen Alkohol«, sagte da plötzlich eine vertraute Stimme.
    Faris blickte von dem Glas auf. Vor ihm stand Ira. Sie wirkte frisch und ruhig, wie ein Mensch, an den man sich anlehnen konnte. Er unterdrückte den Impuls, aufzuspringen und sie einfach in seine Arme zu ziehen. » Eine ganz bestimmte Pfarrerin hat mir mal gesagt, dass in ihrem Glauben der Wein für Zusammengehörigkeit steht«, entgegnete er.
    » Muss eine kluge Frau gewesen sein.« Sie fragte nicht, ob es ihm recht war, sondern nahm ihr Glas vom Nachbartisch. Dann zog sie den zweiten Stuhl unter seinem Tisch hervor und setzte sich zu ihm. Sie prostete Faris zu, trank aber nicht. » Was hat dich hergeführt?« Ein rosiger Schimmer huschte über ihre Wangen. » Oh Gott!«, entfuhr es ihr. » Sag jetzt bitte nicht, du hast die Visitenkarte gefunden!«
    Fragend runzelte Faris die Stirn. » Welche Visitenkarte?« Er wusste nichts von einer Visitenkarte.
    » Ich hatte dir eine…« Rasch winkte sie ab. » Schon gut!« Sie hob ihr Glas ein wenig höher. Erleichterung war ihr ins Gesicht geschrieben, und die Röte ihrer Wangen verging langsam wieder.
    Er stieß mit ihr an, dann trank er einen Schluck. Der Wein rann warm und irgendwie wohltuend durch seine Kehle. Er hatte das Gefühl, etwas Kluges sagen zu müssen. » Vielleicht war es dein Gott, der mich hergeführt hat«, murmelte er.
    Sie sah ihn lange an, bevor sie den Kopf schüttelte. » Oder das Schicksal.«
    » Ist das nicht dasselbe?«
    Sie zuckte die Achseln und stellte ihr Weinglas vorsichtig auf dem rotkarierten Tischtuch ab. » Gott. Schicksal. Vielleicht brauchen wir beide nach dem, was wir heute erlebt haben, solche Konstrukte nicht mehr.«
    Darauf wusste er nichts zu sagen. Er überlegte. » Ich bin froh, dass du hier bist«, gestand er.
    Ira schwieg eine Weile. » Solltest du nicht zu Hause sein und deine Gehirnerschütterung auskurieren?« Sie begann, ihr Glas zu drehen. Auf einmal wirkte sie befangen.
    » Ich habe es versucht.«
    » Wie lange?«
    Ein Lächeln bahnte sich den Weg auf sein Gesicht, er konnte es spüren. Es fühlte sich so warm an wie der Wein in seinem Magen. » Eine Ewigkeit! Eine halbe Stunde.«
    Da lachte sie, und es war gut, sie dabei anzusehen. Er trank noch einen Schluck.
    » Du hast die Stadt heute vor einer ziemlichen Katastrophe bewahrt«, sagte sie. » Wird dir dafür gedankt werden?«
    Er zuckte die
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