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40 Stunden

40 Stunden

Titel: 40 Stunden
Autoren: Kathrin Lange
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die Aufforderung. Er wendete den Blick nicht von Faris’ Augen. » Wer ist hier das Monster?«, fragte er, und er sprach jetzt sehr leise. » Gerechtigkeit, Faris. Darum geht es!« Dann zuckte er die Achseln. » Wir haben unser Gespräch vorhin nicht zu Ende geführt.«
    Faris verspürte nicht das geringste Bedürfnis, es jetzt zu tun. » Rede!«, forderte er Hesse trotzdem auf.
    » Aus dem Nachlass meiner Mutter habe ich erfahren, dass Werner Ellwanger mein Vater ist. Ich habe ihn besucht.« Er lachte, doch diesmal klang es traurig. Resigniert. » Ich habe allen Ernstes geglaubt, endlich eine Familie zu bekommen. Das war nur ein paar Monate nachdem Faridah in diesem elenden Steinhagel gestorben ist.« Zitternd holte er Luft. » Zwei Tage nachdem meine Mutter von diesem religiösen Spinner in die Luft gebombt wurde.«
    Faris verzichtete darauf, ihn darauf hinzuweisen, dass der Museumsattentäter gerade nicht aus religiösen Motiven auf den Auslöser gedrückt hatte. Dies war eine der Absurditäten des ganzen Falles, dachte er. Dass ausgerechnet eine völlig ohne religiöses Motiv begangene Tat Hesse dazu gebracht hatte, seinen Kreuzzug gegen sämtliche Kirchen der Welt zu beginnen.
    » Aber ich musste leider feststellen, dass mein Vater ein religiöser Spinner ist, einer, der seinen eigenen Sohn psychisch aufs Schwerste misshandelte. Alexander war genauso durchgeknallt wie er.« Hesse schnaubte. » Wusstest du, dass er mich für einen Engel hielt, das erste Mal, als ich vor ihrer Haustür stand? Zuerst war es ein Test. Ich wollte eigentlich nur rausfinden, wie irre Alexander ist. Aber als ich erkannte, dass sein religiöser Wahn weit genug reichte und dass er seinen Vater tatsächlich kreuzigen würde, da reifte in mir der Plan für all das hier.« Er machte eine Geste, die den gesamten Flughafen umfasste. Auf einmal wirkte er nicht mehr ganz so ruhig. Er straffte die Schultern, und ein Ausdruck erschien auf seinem Gesicht, der Faris irritierte. Plötzlich wirkte er…
    … zufrieden.
    ***
    Aus irgendeinem Grund verursachte der Film vorn auf der Leinwand Jenny eine Gänsehaut. Die ersten Worte des Kirchentagmottos standen in blutroter Schrift auf der großen Leinwand.
    Das Wort Gottes
    Plötzlich kam Unruhe in die Menge. Polizisten stürmten durch die Eingänge des Olympiastadions herein.
    » Was ist denn da los?«, murmelte Dennis. Er hatte den Arm um Jennys Hüfte gelegt, aber jetzt ließ er sie los.
    » Meine Damen und Herren«, tönte eine Stimme über die Stadionlautsprecher. » Es hat einen unvorhersehbaren Zwischenfall gegeben, und wir müssen Sie bitten, sich unverzüglich zu den Ausgängen zu bewegen. Bitte bewahren Sie Ruhe, es besteht keinerlei Gefahr!«
    Jenny schlug die Hände vor den Mund. Sie sah zu, wie die Menge begann, sich auf die Ausgänge zuzuschieben. An manchen Stellen gab es Gedränge und Geschubse, aber die Stadionordner und auch die hinzugekommenen Polizisten hatten die Situation gut im Griff. Mit vereinten Kräften verhinderten sie, dass Panik ausbrach. Als Jenny nur noch wenige Schritte vom Ausgang entfernt war, bemerkte sie, dass jedem Gottesdienstbesucher die Knicklichter abgenommen wurden.
    Ihr wurde kalt. Irgendetwas Schlimmes, das ahnte sie plötzlich, würde gleich passieren.
    Da flackerte das Bild vorne auf der großen Leinwand. Die blutrote Schrift erlosch.
    Für einen kurzen Moment wurde das Bild schwarz.
    Und dann begann der Videofilm erneut.
    ***
    Der Anblick von Hesses selbstgefälliger Miene brachte etwas in Faris zum Überlaufen. Plötzlich war er nicht mehr in der Lage, sich zu beherrschen.
    Er stürzte vorwärts, packte Hesse am Kragen und zerrte ihn auf die Füße.
    » Mitkommen!«, knurrte er, und bevor einer der anderen Polizisten sich beschweren konnte, hatte er Hesse zur Tür hinaus und in Richtung Treppenabgang gestoßen. » Du sagst jetzt den Männern da unten, wie das Funksignal unterdrückt werden kann!«
    Als sie in den Toilettenräumen angekommen waren, brachen die beiden Sanitäter gerade in hektische Betriebsamkeit aus. Das Piepsen des Herzmonitors beschleunigte sich drastisch, wurde zu einem schrillen Stakkato.
    » Scheiße!«, rief einer der Sanitäter aus. » Er kollabiert!« In fieberhafter Eile zog er eine Spritze auf und setzte sie an Ellwangers Arm an.
    Die Sprengstoffexperten wirkten, als hätten sie alle Zeit der Welt. Sie hoben nicht einmal den Kopf, sondern konzentrierten sich weiter darauf, den Sender lahmzulegen. Über den geöffneten Eingeweiden
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