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36 - Das Vermächtnis des Inka

36 - Das Vermächtnis des Inka

Titel: 36 - Das Vermächtnis des Inka
Autoren: Karl May
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Sie das denn?“
    „Ja. Wenn diese kleinen Steine größer und schwerer wären, würden sie die Decke des Schachtes eindrücken, welche von den vier großen Steinen an den Ecken gehalten wird.“
    Der alte Anciano schüttelte staunend den Kopf und meinte: „Es ist so, genau so, wie Sie sagen, Señor!“
    „Ich wußte es. Die Sache wird durch das einfachste Nachdenken erklärt. Das Loch mußte zugedeckt werden. Ein großes Felsstück war dazu nicht zu brauchen, weil ein einzelner Mensch es nicht hätte entfernen können, um den Stollen zu öffnen. Bretter oder dergleichen gab und gibt es hier nicht; man hat also irgendeine Decke oder ein Fell genommen, über das Loch gebreitet und auf die vier Ecken vier Steine gelegt, welche von einem Mann fortgerollt werden können, aber doch schwer genug sind, das Fell zu halten und auch die kleinen Steine, welche man auf dasselbe gelegt hat, um das Menschenwerk zu verbergen und dem Ort ein natürliches Aussehen zu geben.“
    „Sehr richtig, sehr richtig, Señor! Auch das mit dem Fell stimmt ganz genau. Das Loch ist früher unter den oben liegenden Steinen mit Holzstangen zugedeckt gewesen; diese sind aber morsch geworden, und als mein Herr den Stollen besuchte, fand er die Bedeckung desselben eingestürzt. Um einen neuen Verschluß zu haben, blieb ihm, da er nichts anderes hatte, nichts übrig, als sein Maultier zu erschießen und die Haut desselben mit Hilfe dieser vier Steine über das Loch auszuspannen. Er schüttete dann kleine, leichte Steine darauf, und diese Decke hat sich lange Jahre und, wie Sie sehen, bis heute bewährt. Es kann sich sogar ein Mann darauf stellen, ohne daß sie auch nur im mindesten nachgibt. Ihr Scharfsinn ist wirklich außerordentlich! Wollen wir jetzt öffnen?“
    „Ja, denn es gibt nichts, was uns davon abhalten könnte.“
    Die vier Personen kauerten sich nieder, um die Lage kleiner Steine zu entfernen. Diese war nicht hoch, und bald kam unter ihr das Fell zum Vorschein, welches die Härte und Steifheit eines Eisenbleches angenommen hatte. Es wurde von den erwähnten vier Steinen ausgespannt und festgehalten. Als dieselben fortgeschoben waren, konnte man die Haut wegnehmen, und da kam ein Loch zum Vorschein, welches so groß war, daß ein starker Mann hineinkriechen konnte. Es führte senkrecht hinab. Darum meinte der Vater Jaguar: „Das ist doch kein Stollen, sondern ein Schacht!“
    „Nur der Eingang geht gerade hinab“, antwortete Anciano, indem er einen kleinen Stein hinunterwarf.
    „Hören Sie, daß er nicht tief fällt? Das Loch ist gerade so tief, wie ein Mann hoch ist; dann macht es einen Winkel und führt ein wenig abwärts waagerecht in den Felsen hinein. Ich werde hinuntersteigen.“
    „Wie steht es mit der Beleuchtung?“
    „Für diese hat mein Herr gesorgt. Es liegen Kerzen unten, welche wir selbst aus Talg gegossen haben.“
    Er ließ sich langsam in das Loch hinab. Als er mit den Füßen den Boden desselben erreicht hatte, konnte er mit den ausgestreckten Händen den oberen Rand erfassen. Hammer reichte ihm einige Zündhölzer hinab, worauf man bald die Kerzenflamme unten erscheinen sah. Haukaropora stieg, von oben und unten unterstützt, da er kleiner war, nach; ihm folgte Anton Engelhardt, worauf der Vater Jaguar den vierten machte.
    Dieser letztere mußte sich bücken, um in den waagerechten Stollen zu gelangen, doch wurde derselbe bald höher, so daß man aufrecht stehen konnte. Nach wenigen Schritten verbreiterte er sich und bildete eine Art kleines Gemach, in welchem die vier Personen gerade Platz fanden. Sie sahen sich in demselben um, fanden aber nichts als einen kleinen Holzpflock, welcher in einer Ritze eingetrieben war. An demselben hing eine vielleicht 30 Zentimeter lange, stricknadelstarke Schnur. Sie war dreifarbig und hatte mehrere Knoten; mehrere viel kürzere und dünnere Schnüre waren an ihr festgeknüpft; auch diese zeigten verschieden entfernte Knoten.
    „Ein Kipu!“ rief Anciano, indem er das kleine Schnurbündel vom Pflock nahm und, es mit dem Licht beleuchtend, aufmerksam betrachtete. Die Farben waren ziemlich verblichen, aber doch noch zu erkennen.
    „Kannst du es entziffern?“ fragte der Vater Jaguar.
    „Ja, Señor. Dieser Kipu ermahnt uns, keine andere Kerzen anzubrennen, als bis wir den zweiten Kipu gelesen haben. Es ist also noch einer da, wohl weiter hinten. Gehen wir!“
    Auch Haukaropora untersuchte den Kipu und bestätigte die Lösung des Alten. Sie schritten weiter vor, die beiden
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