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36 - Das Vermächtnis des Inka

36 - Das Vermächtnis des Inka

Titel: 36 - Das Vermächtnis des Inka
Autoren: Karl May
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Garten, so daß man rund um sie gehen kann. Bald nachdem er in der Tür verschwunden war, wurde auf der hintern Seite des Hauses ein oberes Zimmer hell. Er hatte seine Lampe angebrannt.“
    „Das kann auch eine andere Person gewesen sein.“
    „Nein, denn er kam an das offene Fenster, um es zu verschließen. Ich sah ihn deutlich stehen.“
    „Wie viele Fenster hatte das Zimmer?“
    „Zwei.“
    „Ließ er die Rolladen herab?“
    „Nein.“
    „Ob irgendwo eine Leiter in der Nähe ist?“
    „Auch daran habe ich gedacht und sah mich nach einer solchen um. In der Ecke des Gartens steht ein Baum, welcher verschnitten worden ist; die Leiter lehnte noch an demselben. Sie ist lang genug, um an das Fenster zu reichen.“
    „Schön, sehr schön! Leider aber können wir jetzt noch nicht an das Werk gehen. Es ist zu früh. Die Straßen sind noch zu belebt. Man könnte uns sehen.“
    „Wir müssen bis gegen Mitternacht warten.“
    „Aber ob er dann noch wach sein wird!“
    „Wach oder nicht, das bleibt sich gleich. Er darf den morgigen Tag nicht sehen. Ist er noch wach, so bekommt er durch das Fenster eine Kugel. Schläft er schon, so steigen wir ein. Jetzt aber wollen wir gehen. Es gefällt mir hier nicht.“
    Perillo bezahlte das Eis, welches er genossen hatte, und dann entfernten sich die beiden Menschen, welche so leichten Herzens bereit waren, ein Menschenleben zu zerstören, um die Entdeckung eines früheren Verbrechens zu verhüten.
    Die Straßen und öffentlichen Lokale waren heute länger belebt als sonst. Der Bewohner von Buenos Aires ist häuslich gewöhnt und legt sich gewöhnlich zeitig schlafen; heut aber hatte es elf Uhr geschlagen, als der letzte der Gäste das Café de Paris verließ. Der deutsche Lohnkellner erhielt sein Tagessalär und konnte gehen. Draußen vor der Tür blieb er stehen. Es gab noch Passanten in den Straßen. Wenige Laternen brannten, denn im Kalender stand Vollmond. Es war Anfang Dezember, ein schöner, lauer Frühlingsabend. Der Kellner hatte noch nicht Lust schlafen zu gehen. Ihm lag das neue Engagement im Sinn, und die Freude, einen deutschen Herrn gefunden zu haben, ließ keine Müdigkeit in ihm aufkommen. Er beschloß, noch einen Spaziergang zu unternehmen, und lenkte seine Schritte ganz unwillkürlich in diejenige Richtung, von welcher er wußte, daß Dr. Morgenstern in derselben wohne. Er kannte die Quinta, ohne sich aber vorzunehmen, sie jetzt aufzusuchen. Jedoch das Handeln der Menschen wird oft durch innere Stimmen, bestimmt, über welche er sich nicht selbst klar wird, und so kam es, daß der Deutsche plötzlich vor der Quinta stand und selbst ganz überrascht darüber war.
    Hier, fern vom Mittelpunkt des Verkehrs, brannten keine Laternen mehr. Es war dunkel; nur die Sterne verbreiteten einen ungewissen Schimmer, bei welchem man einige Schritte weit zu sehen vermochte. Schon wollte er umkehren, als es ihm war, als ob er das Geräusch leise schleichender Schritte vernehme. Das kam ihm verdächtig vor. Warum so leise? Wer ein gutes Gewissen hat, kann fest auftreten. Er drückte sich eng an den Zaun und wartete.
    Ein Mensch kam drüben mitten auf der Straße, ging vorüber und blieb dann stehen; ein zweiter folgte und hielt bei dem ersten an. Sie sprachen leise miteinander, näherten sich dann dem Zaun und stiegen mit großer Gewandtheit über denselben in den Garten.
    „Also Diebe!“ dachte der Deutsche. Aber was wollten sie stehlen? Nur Gartenfrüchte? Oder galt es gar vielleicht einen Einbruch bei dem reichen Bankier? Von Früchten konnte jetzt, im Frühjahr, keine Rede sein, das sagte er sich doch; also galt es einem wertvolleren Gegenstand. Er mußte folgen und schwang sich also auch so leise wie möglich über den Zaun. Jenseits desselben gab es Rasen, welcher die Schritte unhörbar machte. Er schlich zu der Villa hin und an der schmalen Seite derselben vorüber. Da sah er an der Ecke einen der Männer stehen und blieb halten, um ihn zu beobachten. Er sah, daß der Mensch nach einiger Zeit um die Ecke auf die hintere Seite des Hauses verschwand. Er bückte sich nieder und kroch auf den Händen und Füßen zu der Ecke hin. Da stand der Kerl und blickte nach zwei erleuchteten Fenstern des ersten Stocks empor. Und jetzt kam der zweite Gesell von der Seite herbeigeschlichen; er trug eine Leiter, welche so an die Mauer gelehnt wurde, daß ihr oberes Ende an den Stock des einen Fensters zu liegen kam.
    Was beabsichtigten diese Menschen eigentlich? Man bricht doch nicht in
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