Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
36 - Das Vermächtnis des Inka

36 - Das Vermächtnis des Inka

Titel: 36 - Das Vermächtnis des Inka
Autoren: Karl May
Vom Netzwerk:
eigentlichen Luftverbesserer, gibt es ja nicht, wenigstens nicht das, was man bei uns unter Baumwuchs versteht. Schon Zitronen und Apfelsinen gedeihen hier nicht mehr, Tropenfrüchte noch weniger. Für Äpfel, Pflaumen, Kirschen und andere Obstsorten ist das Klima zu heiß, und so trifft man nur Wein, Birnen, Pfirsiche und Aprikosen an, diese aber allerdings in vortrefflicher Qualität. Wälder aber gibt es in dem östlichen Teil des Landes gar nicht. Höchstens hat einmal hie oder da der reiche Besitzer einer Quinta den Garten, in welcher sie steht, so dicht bepflanzt, daß man unter den Bäumen eine wirkliche Kühlung verspürt.
    Eine der schönsten Quinten war diejenige des Bankiers Salido, eines höchst gastfreundlichen Mannes, welcher nicht allein nur auf den Erwerb bedacht war, sondern auch die Künste und die Wissenschaften liebte und selbst mit europäischen Jüngern derselben in Briefwechsel stand. Infolge dieses letzteren Umstandes war Dr. Morgenstern an ihn empfohlen worden und hatte eine freundliche Aufnahme bei ihm gefunden. Die Quinta lag am südlichen Ende der Stadt, so daß der Gelehrte einen weiten Weg zurückzulegen hatte, infolgedessen Antonio Perillo sehr lange auf die Rückkehr seines Verbündeten zu warten hatte.
    Die Zeit wurde ihm aber nicht lang, denn es waren auch hier zahlreiche Gäste vorhanden, denen das morgen stattfindende Stiergefecht einen reichen Stoff der Unterhaltung bot. Perillo kannte keinen dieser Leute, und ebensowenig war er ihnen bekannt. Man sprach von Señor Crusada, dem fremden Stierkämpfer, und war überzeugt, daß ihn die hiesigen Espadas nicht erreichen würden. Das ärgerte Perillo gewaltig, doch hütete er sich, zu sagen, daß er einer dieser Espadas sei. Man erwähnte natürlich auch den Jaguar und den wilden Bison und war der Meinung, daß die Kämpfer einen schweren Stand haben würden.
    „Blut wird auf alle Fälle fließen“, meinte einer, „und zwar auch Menschenblut. Von dem Büffel will ich nicht sprechen, denn ich habe noch kein solches Tier gesehen; aber der Jaguar ist ein schlimmer Gesell, der ein zähes Leben hat und nicht gleich beim ersten Streich liegenbleibt.“
    Da konnte Perillo sich doch nicht enthalten, einzuwerfen: „Ein Feigling ist der Jaguar! Ich mache mich anheischig, ihm nur mit dem Messer in der Hand zu Leibe zu gehen.“
    „Und dann von ihm zerrissen zu werden“, lachte der andere.
    „Ich spreche im Ernst. Habt Ihr denn noch nicht gehört, daß der Jaguar flieht, wenn er einen Menschen sieht, und daß es Gauchos gibt, die ihn mit dem Lasso fangen?“
    Da antwortete ein alter, sonnverbrannter Mann, welcher allein saß und sich bis jetzt nicht mit an dem Gespräch beteiligt hatte: „Da haben Sie sehr recht, Señor. Der Jaguar flieht den Menschen und ist auch schon von Gauchos mit dem Lasso gefangen worden. Aber welcher Jaguar war das? Der Jaguar des Flusses.“
    „Gibt es denn auch andere Jaguare?“
    „Mehrere Arten gibt es nicht, denn Jaguar ist Jaguar; aber vergleicht einmal den am Fluß wohnenden mit demjenigen, welcher über die Pampas streift oder gar droben in den Schluchten des Gebirges wohnt. Der Fluß bietet Nahrung in Hülle und Fülle. Da leben tausende von Wasserschweinen, an denen sich der Jaguar satt fressen kann. Die Jagd auf diese dummen Tiere fällt ihm nicht schwer; er frißt sich satt und wird faul und feig. Wenn er den Menschen sieht, nimmt er Reißaus. Der Jaguar auf den Pampas aber hat es nicht so leicht. Er hat mit den Rindern, den Pferden und, wenn er sich ein Schaf holen will, mit den Hirten zu kämpfen; der ist gewiß nicht feig. Oder wohnt er gar in den Bergen, so muß er die wilden Lamas jagen, welche schneller sind als er und sich nicht so leicht erwischen lassen. Da muß er hungern, und Hunger macht wütend. So ein Gebirgsjaguar fällt am hellen, lichten Tage offen über den bewaffneten Menschen her. Das, Señores, ist die Sache, welche ich gern richtigstellen wollte.“
    Da meinte Antonio Perillo in spöttischem Ton: „Sie scheinen in diesem Fach sehr große Kenntnisse zu besitzen, Señor. Sind Sie denn schon einmal über die Grenzen der Stadt hinausgekommen?“
    „Zuweilen, ja.“
    „Bis wohin denn?“
    „Bis nach Bolivia hinauf und auch nach Peru hinüber. Auch bin ich im Gran Chaco gewesen.“
    „Bei den wilden Indianern?“
    „Ja.“
    „Und die Indianer haben Sie nicht aufgefressen, wie der Jaguar das Wasserschwein auffrißt?“
    „Entweder bin ich ihnen nicht fett genug gewesen, oder sie
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher