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330 - Fremdwelt

330 - Fremdwelt

Titel: 330 - Fremdwelt
Autoren: Jo Zybell
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Ellenbeuge, die Pfeife neben seinem Kopf war noch warm. Niemand verlangte von ihm, das Steuerruder zu halten, zu putzen, zu kochen, zu angeln, die Küste zu beobachten; niemand nervte ihn. Die anderen hatten sich erfreulich schnell daran gewöhnt, dass er zu nichts zu gebrauchen war, außer zum Stehlen. Und Lesen und Schreiben lernen war ja nun nicht mehr.
    Irgendwann wurde es laut draußen. Einer kotzte mal wieder über die Reling, doch das war es nicht, was Brainless Kids Ruhe störte. Trashcan Kids Stimme klang ungewohnt schrill und drängend, das war es. Und ein fremdes Geräusch in der Ferne. Ein Geräusch, das klang, als würden sehr große Stechfliegen durch sehr große Megaphone brummen. Brainless Kid spitzte die Ohren.
    »O ja, Lady Captain, wir werden sehr wohl an Land gehen!«, hörte er Trashcan Kid rufen.
    »Das werden wir keineswegs tun, Sir Trashie!«
    »Und warum nich, Lady Captain?« So nannte Trashcan Kid die Soldatenbraut vor allem, wenn er mit ihr stritt. Kam häufiger vor.
    »Weil es viele sind und weil sie mir nicht gefallen!«
    »Sie müssen Ihnen nich gefallen, Lady Captain, und stellen Sie sich mal vor: Mir gefallen die Kerle auch nich!« Die Soldatenbraut hatte früher wirklich »Captain« geheißen; Captain Ayris Grover, genauer gesagt. »So von weitem kommen sie mir sogar vor wie echte Scheißkerle.«
    Brainless Kid richtete sich auf, grinste in sich hinein. Doch, er hätte schon gern gewusst, von wem da die Rede war.
    »Dann sind wir uns ja einig.«
    »Nix da ›einig‹, Ma’am, überhaupt nich einig.« Ma’am nannte er sie, wenn es richtig ernst wurde. »Ihre Maschinen interessieren mich nämlich.« Brainless Kid war jetzt ganz Ohr.
    »Moment mal, Trashcan!« Das war nun Loolas Stimme. »Du willst den Burschen dort drüben am Strand doch nicht etwa ihre Maschinen wegnehmen?«
    »Warum nich, Schätzchen? Sie haben doch genug, und wir müssen irgendwie weiterkommen. Die Hälfte von uns is seekrank. Außerdem: Liegen Bunker etwa an der Küste? Nein, Schätzchen. Wohnen Engerlinge an der Küste? Nur in Ausnahmefällen, Schätzchen. Also müssen wir ins Landesinnere. Und dazu brauchen wir solche Maschinen, wie sie diese Kerle haben.«
    Vermutlich wieder irgendwas Bedeutungsloses, irgendein Anlass für Ärger. Brainless Kid war trotzdem neugierig geworden. Außerdem war er noch gut drauf von der Morgenpfeife. Er bettete Paul in sein Fellkissen und deckte ihn bis zum altrosa Stoffkinn mit seinem Wintermantel zu. Dann stand er auf. Johnny am Steuerruder nickte ihm zu. Sie sah verheult aus.
    »Hey, Trashcan!«, hörte Brainless Kid draußen Ozzie rufen. »Mach mal halblang! Wenn du so eine Maschine hätt’st, würd’st du doch jedem Arsch, der sie auch nur dumm anglotzt, sofort aufs Maul hauen!«
    »Das mein ich doch, Mann, genau davon red ich doch!«
    Brainless Kid verließ das Ruderhaus. Am Heck lehnten Monsieur Marcel und Peewee über die Reling. Monsieur Marcels Rechte lag auf Peewees Hintern. Guter Platz für eine rechte Hand. Mit dem linken Ohr lauschten beide dem Disput am Bug, mit dem rechten Auge lugten sie nach den Schwimmern von mindestens sieben Angeln. Am Bug erklärte Trashcan Kid, dass die Scheißkerle ihre Maschinen natürlich nicht freiwillig rausrücken würden, aber man habe ja schließlich in Fucking Waashton gelernt, überzeugend aufzutreten und so weiter.
    Auch Paddy O’Hara stand bei Loola, Ozzie, Trashie und der Soldatenbraut. Wie so oft, wenn noch nicht alle Fakten auf dem Tisch lagen, sagte er gar nichts, guckte nur durch seinen großen Feldstecher zur Küste.
    »Überzeugend auftreten?« Lady Captain zog die spöttische Nummer auf. »Wir haben ein paar Schwerter, drei Äxte, zwei Hände voll Messer und ansonsten nur zwei Pistolen und drei Schuss Munition. Wie wollen Sie mit dieser mangelhaften Ausrüstung überzeugend auftreten, Sir Trashie?«
    Brainless Kid lehnte neben Paddy über die Reling und betrachtete dessen Feldstecher so lange, bis der ihn endlich absetzte und an ihn weiterreichte. Brainless Kid drückte das Gerät an die Augen, ein prächtiges Stück übrigens – wenn Brainless Kid nicht gezwungen wäre, Paddy O’Hara zu seinen neuen Freunden zu zählen, hätte es längst den Besitzer gewechselt.
    Die Küste mit dem Strand mochte noch zwei Kilometer entfernt sein, vielleicht auch drei. Durch O’Haras Feldstecher betrachtet, rückte sie scheinbar bis auf zweihundert Meter heran. Leute auf dreirädrigen Gefährten hobelten dort über Strand und Dünen,
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