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322 - Götterdämmerung

322 - Götterdämmerung

Titel: 322 - Götterdämmerung
Autoren: Mia Zorn
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und zündete genüsslich ihr Pfeifchen an. Zufrieden blies sie kleine Rauchringe in die Luft. Eingehüllt in einen Falkenfederumhang, geschmückt mit Ketten aus Tierknöchelchen und getrockneten Beeren und das Gesicht mit Asche gepudert, glich sie nun selbst einem Wesen aus der Zwischenwelt.
    Sie wartete. Wartete auf den Häuptling von Jotunheimen. Sie war sich sicher, dass er kommen würde. Wen sonst sollte er nach den Zeichen befragen, die die Bergregion erschüttert hatten? Urg vielleicht? Den Seher aus Lom? Wieder glitt ein Lächeln über das Gesicht der Alten. Eher würde Efstur sich ein Bein abhacken, bevor er einen Schritt in das verfeindete Nachbardorf setzen würde. »Nein, er wird hierher kommen müssen. Zu mir«, krächzte die Seherin leise.
    Und sie sollte recht behalten. Schon bald hörte sie in der Ferne Hunde bellen. Kurze Zeit später übertönten Männerstimmen das Heulen des Windes. Dann stapfte jemand vor dem Eingang ihrer Behausung durch den Schnee. Ein Windzug wehte durch den Verschlag, als im Eingangsbereich der schwere Vorhang aus gegerbter Tierhaut zur Seite geklappt wurde.
    »Widda?«, ertönte Efsturs Stimme. Dann öffneten sich die Pelzbehänge zum Innenraum der Kate und der Häuptling von Jotunheimen trat ein. Schnee bedeckte seine Kleidung und kleine Eisklumpen hingen an Brauen und Wimpern.
    Einen Augenblick lang starrten sich die beiden schweigend an. Triumphierend die Seherin. Unsicher der Wikingerführer. Schließlich brach Efstur das Schweigen. »Sei gegrüßt, Widda.« Umständlich kramte er in seiner Manteltasche und reichte der Alten das Säckchen, das seine Hauptfrau ihm vor der Abfahrt zugesteckt hatte. Es enthielt eine Muschelkette und einen Armreif aus Kupfer. »Von Frega... und mir«, brummte er.
    Ohne Dank nahm die Seherin das Geschenk entgegen und steckte es in eine Tasche ihres Falkengewandes. »Wieso kommst du erst jetzt? Brauchte es so lange, bis dem Götländer die Antworten ausgingen?« Ihre steingrauen Augen glitzerten, während sich der Häuptling unter ihren Blicken wand. Es war ihm anzusehen, dass Widdas Worte ihn verärgerten. Gleichzeitig bemühte er sich um versöhnliche Gesten. Vergeblich! Eine steile Falte erschien auf seiner Stirn und die Lippen wurden schmal.
    Doch bevor er zu einer wütenden Erwiderung ansetzen konnte, hob Widda ihre knochige Hand. »Uns bleibt keine Zeit für langes Geschwätz. Die Midgardschlange Jörmungandr ist durch das Feuertor gekommen, und mit ihr zwei Diener in Menschengestalt.«
    Bei ihren Worten wurde Efsturs Gesicht aschfahl. »Die Midgardschlange? Was redest du da...?« Stoßweise ging sein Atem. Der schwere Körper schien ins Wanken zu geraten und er zog sein Schwert, um sich darauf zu stützen. Als er sich ein wenig beruhigt hatte, blickte er die Seherin aus schmalen Lidern an. »Hast du sie mit eigenen Augen gesehen?«
    Widda, die eben noch das zunehmende Entsetzen des Häuptlings genossen hatte, fuhr nun zornig auf. »Du zweifelst an meinen Worten? Glaubst du, ich erzähle dir Ammenmärchen? Oder hat dir der Götländer inzwischen das Gehirn weich geredet?«, zischte sie und baute sich vor Efstur auf. »Während ihr euch über nichtige Dinge beratet, komme ich meiner Berufung nach. Natürlich haben mich die Götter vorgewarnt. Ich habe Glymjandi geschickt, um am Tor zu wachen. Er hat alles beobachtet. Alles, sage ich dir.« Damit deutete sie in ihren Rücken zum ausgehöhlten Eichenstamm.
    Dort war inzwischen der Kleinwüchsige erwacht. Ängstlich kauerte er auf seinem Lager und schaute abwechselnd vom Häuptling zur Seherin. »Glymjandi hat alles richtig gemacht«, stammelte er. »Ist gekommen, um zu warnen. Vor der Schlange und den beiden Blonden beim Tor.«
    Ehe der überraschte Efstur das Wort an den Zwerg richten konnte, drängte sich Widda an sein Ohr. »Töte die Diener und bring mir den Kopf der Schlange. Mit Hilfe der Erdgöttin werde ich ihren bösen Geist bannen. Und dich wird man rühmen, von den Gebirgspforten bis hinunter in die Täler.«
    ***
    Im Gebirge
    Matthew Drax, Xij Hamlet und Grao’sil’aana ahnten nichts von den Vorgängen im Fjellwald. Sie waren froh, überlebt zu haben: Im letzten Moment hatte der Daa’mure Zuflucht in einer Höhle gefunden, bevor die Lawine über sie hinweg gedonnert war.
    Als sie zu Atem gekommen waren und die Schneemassen vor dem Eingang durchbrochen hatten, erkannten sie zu ihrer Freude im hereinfallenden Licht, dass sie sich in der Nähe menschlicher Zivilisation befinden
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