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319 - Paris - verbotene Stadt

319 - Paris - verbotene Stadt

Titel: 319 - Paris - verbotene Stadt
Autoren: Jo Zybell
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den Mars.
    »Es löst sich nicht vollständig auf«, bemerkte Grao’sil’aana. »Ein Kernrumpf bleibt übrig.« Als der Schwarm aus Kleinschiffen sich weit genug entfernt hatte, sah man es deutlich: Wie Bienen an der Winterwabe mit der Königin, so hatten die kleinen Raumgleiter rund um eine große Mittelröhre geklebt, die jetzt verlassen im All schwebte.
    »Die Invasion des Planeten Mars hat begonnen!«, verkündete die Kommentatorin. »Die tapfere chinesische Volksarmee wird dem glorreichen chinesischen Volk nun endlich erobern, was ihm zusteht: den Lebensraum auf dem Nachbarplaneten...!«
    »Ich kann diesen Propaganda-Scheiß nicht mehr hören.« Jeanne lehnte gegen Dylan und drückte die Stirn gegen seine Schulter.
    Matt deutete auf das Hologramm. »Was mich viel mehr interessiert – ist diese Röhre bemannt?«
    »Laut unserer Späher waren es Zehntausende, die an Bord gingen«, sagte Jeanne. »Und die Wenigsten davon sahen aus wie Kampfpiloten.«
    Schweigend betrachteten sie das Hologramm und lauschten der marktschreierischen Stimme der Kommentatorin. »Die schlimmsten Feinde des chinesischen Volkes sind in dieser Röhre versammelt«, rief sie. »Die Inbesitznahme des Mars durften sie noch mit eigenen Augen verfolgen, doch jetzt werden sie ihre verdiente Strafe erhalten! Der Großen Vorsitzenden sei Dank!«
    Matt hielt den Atem an, Xij stieß einen Schreckensruf aus und Jeanne presste die Hand auf ihren Mund, als ein Lichtblitz das Hologramm ausfüllte. Sekunden später, als man wieder Einzelheiten inmitten des grellen Leuchtens erkennen konnte, dehnte sich dort, wo eben noch die große Röhre geschwebt hatte, eine Wolke glühender Trümmer aus. »Diese Teufel«, entfuhr es ihm.
    Das Bild wechselte. Rote Fahnen wehten. Von einem Balkon winkte eine junge Chinesin huldvoll den auf einem Platz versammelten Massen zu. Als ihr schönes Gesicht in Großaufnahme gezeigt wurde, erkannte auch Matt sie.
    »Niemals werde ich diese grünen Eisaugen vergessen«, sagte Xij.
    »Sie hat tatsächlich überlebt«, flüsterte Jeanne.
    »Oder es handelt sich um ein baugleiches Modell«, sagte Matt. »Das ist die Crux mit Androiden: Sie sind beliebig reproduzierbar.« Und dabei dachte er an einen Androiden, der im Flächenräumer zurückgeblieben war: Miki Takeo. Von ihm existierte nur ein Exemplar.
    Jetzt nicht mehr, dachte Matt düster. Der Streiter hat ihn vernichtet. Und es liegt an uns, das nachträglich zu ändern...
    ***
    Zwei Tage später schwebten sie über Venedig. Oder genauer: über einer von Wasseradern durchzogenen Geisterstadt aus maroden, teils zerfallenen Dächern, Brücken, Kuppeln und Türmen, die unter ihnen aus dem allgegenwärtigen Meer ragte.
    Von Dylan wusste Matt, dass mit dem Abschmelzen der Polkappen der Meeresspiegel weltweit um mehr als drei Meter angestiegen war in den letzten hundertzwanzig Jahren. Von Venedig hatte das Wasser nicht viel übrig gelassen, zumindest keine Straßen. Und keine Menschen. Matt, Xij und Grao erkannten die Stadt nicht wieder.
    Seevögel nisteten in großen Kolonien auf Flachdächern, in Türmen und auf erhöhten Bahndämmen. Delfine zogen zwischen Kirchen und den Fassaden hoher Paläste dahin. Robben lagen faul auf aus den Wellen ragenden Brückenbögen.
    Der Abschied von Jeanne und Dylan fiel kurz aus. Man umarmte sich und wünsche einander Glück. Xij zerdrückte ein paar Tränen, als sie den weißblonden Dylan herzte. Der New Yorker des Jahres 2201 und sie hatten sich angefreundet. Nachdem sie Matt, Xij und Grao auf dem Dach eines ehemaligen Bootsverleihs abgesetzt hatten, stiegen Jeanne und Dylan wieder in ihren kleinen Panzergleiter und flogen samt der Urne mit der Asche des italienischen Obristen davon.
    Der gestiegene Meeresspiegel machte es nicht einfacher, die Stelle zu bestimmen, an der in der Lagune das Zeitportal lag, durch das sie – in einer anderen Zeit und einem anderen Universum – von hier aus in das biblische Sodom gesprungen waren.
    Matt orientierte sich am Markusdom und dem Dogenpalast, vor denen einst der jetzt überflutete Markusplatz gelegen hatte. Ein Schwarm Albatrosse schwang sich in die Luft, als sie in einem Boot, das sie flottgemacht hatten, auf die weite Wasserfläche einbogen. Von hier aus waren es nur noch ein paar hundert Meter bis in die Lagune hinaus.
    »Wir brauchen ein mobiles Feuer«, sagte Matt. »Ohne Rauch und Ruß werden wir die Zeitblase nicht finden.«
    Sie legten am Dogenpalast an und drangen in das Gebäude vor. Von den vier
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