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319 - Paris - verbotene Stadt

319 - Paris - verbotene Stadt

Titel: 319 - Paris - verbotene Stadt
Autoren: Jo Zybell
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wenigstens einen seiner Angehörigen zurückzulassen und Ihnen dessen Platz zur Verfügung zu stellen.«
    Ronald Third CocaCola Diamonds Finger verkrampften sich um die Armlehnen seines Kabinettssessels. Er blickte hilfesuchend in die Runde der anderen dreiundzwanzig Big Daddies – und sah in lauter teilnahmslose Gesichter.
    All diese Männer trugen noch das vorletzte Modell des ID-Chips unter der Stirnhaut; einen Typ, über den man, hatte man ihn mit einem Schlüsselcode erst auf Efferenz umgeschaltet, das Gehirn seines Trägers manipulieren konnte.
    »Was ist denn nur los mit Ihnen, Gentlemen?« Vermutlich ahnte Ronald Third CCD in diesem Moment, dass er es nur noch mit Marionetten zu tun hatte, und wollte es nicht glauben. »So unternehmen Sie doch etwas, du meine Güte!« Und dann wieder mit zitternder Unterlippe an Biggest Daddy gewandt: »Tu es nicht, Silvester, ich beschwöre dich...«
    »Hast nicht du selbst den besten Mann der APU als Kommandanten ausgewählt, als wir unser Generationenraumschiff ins All schickten?« Biggest Daddy schüttelte sein blondes Zöpfchen von der rechten Schulter und verbog den Hals, als hätte er einen Krampf. Natürlich fiel es ihm nicht leicht, seine beiden engsten Vertrauten über den Jordan zu schicken. Schließlich war auch er nur ein Mensch.
    »Doch, Silvester, sicher...« Der andere rang die Hände. »Aber was willst du damit sagen...?«
    »Jetzt, da auch die Chinesen sich anschicken, ein Generationenraumschiff zu starten, muss erneut der Beste das Kommando übernehmen. Das bin ich den Zehntausenden an Bord einfach schuldig. Also werde ich gehen.«
    Er hob den HLK, zielte und drückte auf den Auslöser. Der grellweiße Strahl fuhr Ronald Third CocaCola Diamond in die Brust. Er bäumte sich auf, stieß einen langen Seufzer aus, verdrehte die Augen und sank in seinem Sessel zusammen.
    ***
    Der Herbst fiel aus in diesem Jahr. Erst Mitte September war es und trotzdem spürte man gegen Mittag noch die Kälte der Nacht in den Knochen. Morgenfrost statt Spätsommer – wohl dem, der nach dem verlorenen Häuserkampf im Pariser Stadtzentrum einen Mantel hierher in das neue Hauptquartier der St. Germains hatte retten können. Oder wenigstens eine dicke Jacke.
    Jeanne St. Germain rieb sich die Hände über der Glut. Zwei Kämpfer knieten vor den Luftschlitzen der Tonne und bliesen das Feuer an. Ihre persönlichen Adjutanten, sie trugen blaue und rote Streifen auf den Wangen.
    »Die letzten drei Tage habe ich dich nicht ein Mal Gymnastik treiben sehen, Laurent St. Germain«, sprach Jeanne den Jüngeren an, einen siebzehnjährigen Schwarzen. Schuldbewusst äugte er zu ihr herauf. »Sobald das Feuer wieder brennt, wirst du das nachholen, und zwar unter meinen Augen. Und dann will ich die doppelte Anzahl Liegestützen und Sit-ups sehen! Klar?«
    Der Bursche nickte. »Und du, Nikolas St. Germain, wann hast du zuletzt deine Wäsche gewechselt?«, wandte sie sich an den etwas Älteren.
    Der druckste ein wenig herum, bevor er mit der Sprache herausrückte. »Vor einer Woche. Oder so....«
    »Dachte ich mir – du stinkst nämlich wie ein verwesender Kater. Zur Strafe schiebst du drei Tage Sonderschicht in der Küche. Und jetzt ab in die Halle zum Waschen und Wäschewechseln!« Sie deutete auf den alten Flugzeughangar. Die ARF – Armée de résistance de la France – hatte ihr Materiallager darin eingerichtet und einen Teil ihrer Mannschaften in den Nebenräumen untergebracht.
    Nikolas trollte sich in Richtung Halle, und Laurent begann, als das Feuer wieder loderte, an Ort und Stelle mit der Gymnastik. Während er laut seine Liegestützen zählte, ließ Jeanne ihren Blick über die Fabrikruinen wandern.
    An allen Tonnen, Bänken, Baracken und Zelten wurde Essen ausgegeben. Die Warteschlange vor dem Lazarett hatte sich beinahe aufgelöst. Capitaines waren zwischen den kleinen Gruppen ihrer Leute unterwegs, Männer und Frauen in Schwarz mit rot-blauen Schulterstücken auf Mänteln oder Jacken; sie sprachen die Kämpfer an, scherzten mit ihnen oder ermahnten sie.
    Jeanne legte größten Wert darauf, dass die Offiziere erst dann ihre eigene Essensration annahmen, wenn sie sich davon überzeugt hatten, dass jeder ihrer Untergebenen seine Portion im Blechteller hatte.
    »Vierzig«, keuchte der Bursche neben der Tonne und richtete sich auf den Knien auf. Ein Kettchen mit einem Porträtanhänger war ihm aus der Jacke gerutscht, das Bild eines blinden weißhäutigen Mannes. Jeanne selbst hatte ihm
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