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319 - Paris - verbotene Stadt

319 - Paris - verbotene Stadt

Titel: 319 - Paris - verbotene Stadt
Autoren: Jo Zybell
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dieses Porträt des großen postamerikanischen Widerstandskämpfers Matthew Drax einst geschenkt, als Belohnung für einen mutigen Späherdienst. Hin und wieder, wenn der Krieg ihnen eine Atempause gönnte, berichtete sie den jungen St. Germains von ihrem Vorbild Drax. In harten Zeiten wie diesen brauchte es Gestalten, an denen man sich orientieren konnte.
    »Du hast von einunddreißig direkt auf dreiunddreißig gezählt.« Jeanne zog die schwarzen Brauen hoch. »Ich hoffe für dich, dass es ein Versehen war, Laurent St. Germain. Häng noch einmal zehn Liegestützen dran. Los!« Der Kämpfer seufzte, tat aber, was sie verlangte. Niemand hatte Jeanne je einen Befehl verweigert.
    Sie blickte hinauf zu den Dächern und den Wipfeln der Eichen und Ulmen, die einen dichten Wald rund um die alte Industriebrache bildeten. Keinen einzigen Wachmann, keine einzige Wachfrau konnte sie entdecken. Die Tarnung ihrer Leute war nahezu perfekt. Über den Sichtschutz hinaus sorgte ein ausgeklügelter Ortungsschutz dafür, dass die Chinesen auch das neue Hauptquartier bis jetzt nicht entdeckt hatten. Dabei hatte die ARF eine ganze Brigade hierher auf das alte Fabrikgelände und die Wälder seiner Umgebung verlegt. Mehr als sechstausend Kämpfer und Kämpferinnen.
    Vor sechzig Jahren, als die Antigrav-Flieger die alten Düsenjets noch nicht vollständig verdrängt hatten, wurden hier Langstreckenflugzeuge gebaut. Jetzt zerfielen die Gebäude nach und nach, das Unkraut stand hüfthoch, ein niedriger Wald aus Buchen, Eichen und Ulmen wucherte auf dem Flugfeld, und auf den Dächern wuchsen, zwischen Brennnesseln und Haselnussbüschen, Birken und verkrüppelte Kiefern.
    Das neue Hauptquartier lag tief im Südosten des Stadtgebietes, nur ein paar Kilometer entfernt vom alten Flusshafen Vigneux-sur-Seine. Bei gutem Wetter konnte man die Ferngleiter der Chinesen im Nordwesten auf dem Airport Orly starten und landen sehen. Den hatten die Gelbärsche gleich mit der ersten Offensive erobert, bald fünf Jahre war das her. Seitdem herrschte reger Flugverkehr dort. Keiner wusste, was die Frachtkolosse mit den roten Wappen Woche für Woche dorthin schafften. Truppen und Kriegsmaterial hatten sie wahrhaftig genug in Paris stationiert. Vermutlich hatte die chinesische Volksarmee eine Produktionsstätte für schwere Waffen auf dem Flughafen errichtet; dafür jedenfalls sprach alles, was Jeannes Späher bisher an Informationen zusammengetragen hatten.
    An verschiedenen Stellen rund um die Stadt lagen noch insgesamt vier Kompanien der ARF, meist in Tunnelsystemen unter der Erde. Die alte Metro hielt selbst der Pessimistischste unter Jeannes Obristen für uneinnehmbar. Doch was sollten nicht einmal zehntausend Kämpfer und Kämpferinnen gegen einige Hunderttausend Volksarmisten ausrichten, die ihr eigenes Leben so wenig achteten wie fremdes?
    Bis in den Sommer hinein hatte die Bundesstaatsregierung Frankreichs noch im Elyseepalast residiert und die europäischen Restregimenter lagen in den Häusern der Innenstadt entlang des Seineufers und in den Wäldern und Industriegebieten rund um die Stadt. Doch seit die Chinesen Paris Mitte August einfach überrannt hatten, gab es auf französischem Boden weder eine Staatsregierung noch reguläre europäische Regimenter mehr. Überlebende Soldaten, die der Gefangenschaft entgangen waren, hatten sich der ARF angeschlossen.
    Rebellische Geister von Jeannes Kaliber hatten diese Widerstandsarmee im Jahre 2117 gegründet. Damals begann die Zentralregierung in Brüssel die Protestbewegungen in den westlichen und südlichen Bundesstaaten mit Gewalt niederzuschlagen, was in kürzester Zeit zu einem überaus blutigen Bürgerkrieg führte. Sechzig Jahre lang tobte der zwischen Hammerfest und Palermo, zwischen Wladiwostok und Dublin; so lange, bis in ganz Europa die Stirnchips wieder abgeschafft waren und mit ihnen die korrupten Regionalregierungen und das menschenverachtende Gebaren der Konzerne und Banken.
    Im Wesentlichen hatte die ARF von Anfang an aus Mitgliedern der traditionsreichen französischen Fußballclubs bestanden. In der folgenden Blüte von Freiheit, Wohlstand und Kultur gab es europäische Armeen wie sie nur noch in Geschichtsbüchern und Museen. Eine kurze Blüte – Chinas Wirtschaft und Geheimdienst hatten die Vereinigten Staaten von Europa während des Bürgerkrieges so gründlich unterwandert, dass sie rasch zusammenbrachen, als chinesische Truppenkontingente von ihren Stützpunkten in Afrika und Palästina
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