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313

313

Titel: 313
Autoren: B Tewaag
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krassen Move, den ich ihm gar nicht zugetraut hätte. Er schreibt ein Anliegen für ein sofortiges Gespräch mit Herrn Karl.
    Beim Poker würde man sagen, das ist jetzt ’ne klassische All-in-Nummer.
    »Will er sich melden selbst nach Atzleben?«, sagt Wlad.
    »Keine Ahnung«, sag ich.
    »Sitzt er morgen gleich in Bus.«
    Das ist natürlich wieder Wlads Russendenke von wegen, wenn du jemals auf die Hilfe von ’nem Beamten angewiesen bist, ist sowieso alles schon zu spät. Aber ich würd den Karl nicht unterschätzen. Das ist ’n Philosoph, der Mann. Der war bisher immer am besten, wenn jemand seine Hilfe brauchte.
    »Und?«, frag ich, als der Kupp zurückkommt. »Wie war’s?«
    »Schwer zu sagen«, meint der Kupp.
    Du kannst ihm ansehen, dass was passiert ist, nur nicht, ob es das Richtige war. Er erzählt also, wie er zum Karl ins Büro geht, sagt, dass er nie einen dranhängen würde, auch keinen Beamten, aber dass er sich wahnsinnig Sorgen macht, morgen in Atzleben zu sein. Dann beichtet er ihm die ganze Geschichte, und danach wartet er darauf, dass der Karl ihm irgendwas sagt.
    Und der Karl fragt ihn mit dieser Vaterstimme, die ich schon so gut kenne: »Herr Kupp, das soll ich Ihnen glauben?«
    Aber der Kupp kämpft: »Wissen Sie, Herr Karl, ich hab eine Frau draußen, ich hab lange gesessen. Ich hab diesen kompletten Garten hübsch gemacht. Natürlich hab ich mir, wenn ich diesen Seitenschneider in der Hand hatte, fünfhundert Mal überlegt, ob der da durchgeht. Aber ich würde das niemals machen, auch aus Neugierde heraus nicht, ich weiß, welche Konsequenz das hat.«
    Ich kann mir den Karl richtig vorstellen, wie er jetzt überlegt. Er kennt den Kupp, er weiß, dass der ein unglaublich kaputtes rechtes Bein hat und deswegen versucht, an die heftigsten Schmerzmittel zu kommen, die es im Knast gibt. Der Kupp ist eigentlich die ganze Zeit drauf, bei dem musst du aufpassen, dass er nicht alle möglichen Medikamente einsammelt, aber der ist keiner, der flieht. Ich glaube, der Karl wusste sofort, dass das sein saudummer Beamter war. Wenn er den Kupp also draußen halten will, muss er es schaffen, dass daraus kein offizieller Vorgang wird, bei dem fällt der Kupp nämlich hinten runter. Er muss aber auch aufpassen, dass er es nicht unter den Tisch fallen lässt, denn dann ist es nämlich sein Arsch, der gefickt wird, wenn es rauskommt. Insofern ist es total wichtig, dass die Nummer geheim bleibt. Und da fallen ihm natürlich gleich die Personen ein, mit denen der Kupp so rumhängt.
    Ich denk, boah, das wird heut wieder so ein Tag, wo was passiert, was deine ganze Haft verändert, da schaltet sich Wlad ein.
    Er sagt so in die Stille: »Steht der Karl draußen an Zaun.«
    Ich schieße vor zum Fenster und muss lachen, weil das so absurd ist. Da stehen direkt gegenüber doch tatsächlich der Karl und der Scherer am Zaun, der Karl mit seinem rosa Ralph-Lauren-Hemdchen, der Scherer mit seiner Beamtenuniform, sie fahren das Gitter mit den Händen ab, suchen das Loch und finden es natürlich gleich, während der Kupp durch unsere Zelle rumtigert, weil er sich nicht ans Fenster traut.
    Er fragt immer nur: »Was siehst du? Was macht er?«
    Der Kupp steht zitternd auf unserer Zelle, und das ist auch sein Zustand, als er wenig später wieder zum Karl gerufen wird.
    Der Karl teilt ihm mit, dass er den Beamten einbestellt hat. Er sagt dem Kupp nicht, ob er ihm glaubt oder nicht, nur dass der Kupp sich keine Sorgen machen soll, er werde das schon regeln. Morgen ruft er ihn noch mal, dann weiß er mehr.
    »Nur eins noch«, sagt der Karl, »haben Sie schon jemandem von der Geschichte erzählt?«
    Der Kupp überlegt, was passiert, wenn er was sagt, aber das wird ihm so unübersichtlich, dass er einfach die Wahrheit sagt.
    »Ich hab das leider schon Oli und Wlad erzählt.«
    »Das sind zwei Leute zu viel«, sagt der Karl sauer. »Irgendjemand wird es weiterplappern. Das ist immer so. Dann würde ich vorschlagen, dass Sie mit denen reden, wenn das Ihre Freunde sind. Erklären Sie denen, davon ist Ihre Zukunft jetzt abhängig.«
    Der Karl hat sicher gedacht, dass er den Kupp damit erst mal beruhigt hat, aber bei dem bricht die Panik jetzt richtig aus. Der ist davon überzeugt, dass der Karl ihn abschießen will. Es ist einfach zu gefährlich für den Laden. Die Karriere des Beamten steht auf dem Spiel. Der wird sich an Kupp rächen wollen. Oder Kupp glaubt nur, dass er sich rächen will, und quatscht rum. Auf einmal müssen alle
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