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303 - Tod einer Königin

303 - Tod einer Königin

Titel: 303 - Tod einer Königin
Autoren: Jo Zybell
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Getier zwischen den Fugen. Wellen klatschten gegen Mauer und Bootsrumpf. An einem Flaschenzug hoben sie das Netz mit Bahafaa aus dem Boot über die Kaimauer.
    Offenbar war sie noch ohne Bewusstsein, jedenfalls hörte Grao’sil’aana sie weder seufzen noch weinen. Der mit dem Geschwür im Gesicht und zwei andere Jäger kletterten nun an einer Strickleiter an der glitschigen Mauer hinauf.
    Die im Boot Zurückgebliebenen befestigten das Netz mit einer der beiden Halbwüchsigen an einem Haken. Ein Seil straffte sich, die erste der beiden jungen Primärrassenvertreterinnen – ihre Artgenossen nannten sie »Mädchen« oder »Jungkriegerinnen« – entschwebte nun Graos Blickfeld; auch sie schien bewusstlos.
    Jeden Muskel spannte der Daa’mure an, jede Zelle seines wandelbaren Körpers war bereit zum Kampf. Schon war er im Begriff, die Körpergestalt des Händlers Hermon aufzugeben, in der er friedlich und unerkannt und an Bahafaas Seite auf den Dreizehn Inseln lebte, doch im letzten Moment zögerte er: Was nützte es, das Netz jetzt zu zerreißen und die vier im Boot Gebliebenen zu töten, wenn den Jägern oberhalb der Kaimauer möglicherweise Zeit genug blieb, Bahafaa und die Halbwüchsige zu verschleppen oder gar zu verletzen?
    Schon schwebte das Netz mit der zweiten Jungkriegerin nach oben.
    Grao’sil’aana traf eine Entscheidung: Um keinen Preis wollte er das Leben der beiden Jungkriegerinnen und seiner Gefährtin in Gefahr bringen; erst einmal abwarten und so lange wie möglich seine wahre Natur verschleiern; erst einmal die Umgebung ins Auge fassen, die Lage sondieren, den Gegner kennenlernen; danach eine Strategie entwickeln. So war es sicherer für die Frauen.
    »Jetzt den Kerl!«, rief einer von oben herab. Grao’sil’aana alias Hermon schloss das Auge und mimte den Bewusstlosen. Er spürte, wie sie am Netz zerrten, wie sie den Haken befestigten. Schließlich setzte wieder das Quietschen und Knarren ein und sämtliche Maschen strafften sich und schnitten ihm in Gesicht und Weichteile. Er löste sich vom Bootsboden, schwebte aufwärts.
    »Runter mit ihm auf das Pflaster!«, rief wenig später einer. Grao’sil’aana spürte, wie er hinabgelassen wurde. Er öffnete wieder das unverletzte Auge ein wenig. In der Ferne erkannte er die mächtige Fassade eines mehrstöckigen, grauweißen Gebäudes; ein riesiger Rundbau, wie es schien. Ein großes kastenartiges Schiff mit Schaufelrad und hohen Schornsteinen ragte hinter einer Kaimauer aus dem Wasser auf.
    Weder ein Schiff dieser Art hatte er je gesehen, noch dieses fremdartige Gebäude. Wie viele Tage mochten die Jäger mit ihrem kleinen Boot unterwegs gewesen sein? Wie lange war er ohne Bewusstsein gewesen? Grao’sil’aana vermochte es nicht zu sagen. Stechender Schmerz flammte von dem zerstörten Auge aus durch seinen ganzen Körper.
    Ganz in seiner Nähe entdeckte er männliche Humanoide – Primärrassenvertreter; an die zwanzig in Fischlederkluft standen an der Kaimauer. Die meisten umringten die in ihren Netzen eingeschnürten Frauen von den Dreizehn Inseln. An den meisten der Jäger entdeckte Grao irgendwelche Missbildungen, vor allem in den Gesichtern. Einige der Primärrassenvertreter waren in die Hocke gegangen, sprachen Bahafaa und die anderen beiden an, betasteten und begrapschten sie.
    »Er ist wach!«, rief plötzlich einer, und im nächsten Moment spürte Grao wieder einen Stich: Diesmal bohrte ihm jemand mit der Hand einen Pfeil in den Nacken.
    »Gebt ihm mehr, bei Orguudoos Feuerhölle!«, rief der mit dem Nasengeschwür im Gesicht. »Gebt ihm drei tödliche Dosen! Aus irgendeinem verdammten Grund hält er das aus!«
    Bevor Grao’sil’aana auch nur seinen Willen auf eine Gestaltwandlung konzentrieren konnte, bohrten sich nacheinander drei Stiche in seine Brust und seinen Rücken. »Und dann vor den Ersten Kriegsmeister mit ihm!«, hörte er den Kerl mit dem Geschwür im Gesicht noch sagen. »Soll der mit ihm anstellen, was er will!« Dann flutete wieder Finsternis sein Bewusstsein.
    ***
    Der Wind blies von Südwesten, die Segel der Karavelle blähten sich. Die Kriegerinnen von den Dreizehn Inseln und ihre Gefährten kamen gut voran. Stundenlang stand Aruula am Heck. Mit beiden Fäusten hielt sie den Griff ihres Langschwertes umklammert und starrte auch dann noch nach Süden über das Meer, als die doyze Ostseeküste längst nicht mehr zu erkennen war.
    Sie sah ihn trotzdem, den Mann, den sie bald zwölf Winter lang geliebt hatte, sah Maddrax
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