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303 - Tod einer Königin

303 - Tod einer Königin

Titel: 303 - Tod einer Königin
Autoren: Jo Zybell
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sie würde sich niemals – niemals! – wieder von ihm trennen.
    Maddrax.
    Mit gekreuzten Beinen hockte er unter dem Apfelbaum, lehnte gegen den Stamm und starrte auf einen länglichen Steinhaufen – das Grab seiner Tochter. So hatte er schon gestern bei Sonnenuntergang da gesessen.
    Kaum vierzig Schritte trennten Aruula von Apfelbaum und Grab. Sie konnte die Blässe in Maddrax’ Gesicht erkennen und die dunklen Ringe unter seinen Augen. Von ihm trennten sie Welten.
    Sich niemals wieder von ihm trennen? Irrtum. Es war vorbei. Er hatte die Hoffnung darauf zusammen mit Ann begraben.
    Heftigste Vorwürfe hatte er ihr gemacht. Ihr, die ihm den Tod ihres gemeinsamen Sohnes verziehen hatte, auch wenn er Daa’tan in Notwehr getötet hatte. Weggestoßen hatte er sie. Sie, die ihn am Leben erhalten hatte, als er mehr als elf Winter zuvor in seinem Feuervogel im Eisfeld gelandet war! Sie, die seitdem mehr als nur einmal ihre Haut für ihn aufs Spiel gesetzt hatte!
    Was ging in ihm vor, dass er seine geliebte Gefährtin derart schroff und unversöhnlich zurückwies? Ich will dich nie wiedersehen , hatte Maddrax ihr ausrichten lassen. Wir haben einmal zusammengehört , hatte er ihr ins Gesicht gesagt, doch das ist so lange her, dass ich mich kaum erinnern kann.
    Unfassbar!
    Er sah sie hier oben auf der Geröllhalde stehen, der Mann dort am Grab; er sah sie und gab es doch nicht zu erkennen. Mit keinem Wort, mit keiner Geste. Starrte nur den Steinhügel an und sah selber aus wie ein großer weißer Stein mit Kopf und Gliedern.
    Enttäuschung brannte in Aruulas Brust. Und eine gewaltige Wut. Sie hätte schreien mögen.
    Sie tat es nicht, wandte sich stattdessen ab und hob ihr Schwert, um es in die Rückenkralle zu schieben. Ein Strahl der Morgensonne traf den Griff. Der darin eingefasste Kristall leuchtete einen Wimpernschlag lang auf, als würde ein Feuer in ihm glühen. Ein Speicherkristall mit einem ganzen Leben darin – die Bewusstseinskopie eines alten Freundes und Weggefährten: Aiko Tsuyoshi. Maddrax und sie hatten gehofft, diese Daten einst in das Gehirn eines künstlichen Menschen übertragen zu können und Aiko so wieder zum Leben zu erwecken. Aber auch dies war nun Vergangenheit.
    Aruula stieg die Abraumhalde hinunter.
    Männer und Frauen standen zwischen den Hütten und in den Trümmern der ehemaligen Bohrhalle. Leute aus London, Corkaich und Guernsey, Leute vom Mars sogar. Auch Rulfans Weißhaar erkannte Aruula von fern. Von ihm hatte sie sich am frühen Morgen verabschiedet. Würde sie ihn jemals wiedersehen?
    Wer vermochte das zu sagen? Aruula wollte nicht daran denken, an die Vergangenheit nicht und schon gar nicht an die Zukunft. Die erschien Aruula wie ein schwarzes Loch.
    Sie folgte ihren Gefährten von den Dreizehn Inseln, stieg hinter ihnen her einen Hügel hinauf. Knapp einen Tagesmarsch entfernt lag die Bucht, in der einige Schiffe ankerten – die Karavellen, die die Steinjünger unter Mutters Einfluss gebaut hatten, um hierher an die Ostseeküste zu gelangen. Eine davon sollte Aruula und die anderen zurück auf die Dreizehn Inseln bringen.
    Auf dem Hügelkamm blickte sie ein letztes Mal zurück. Niemand stand mehr unten im Dorf zwischen den Hütten, niemand sah ihr hinterher. Maddrax hockte noch immer reglos am Grab. Jetzt sah sie seinen Rücken und seinen blonden Hinterkopf.
    Aruulas Hände krampften sich um den Griff ihres Schwertes, und eine Wut überkam sie, die sie selbst erschreckte. Hätte sie in diesem Moment hinter Maddrax gestanden – sie hätte auch ihm die Klinge in den Rücken gerammt!
    Eine Sekunde später hatte sie sich wieder unter Kontrolle. Was war los mit ihr, dass sie über einen kaltblütigen Mord nachdachte?
    Schaudernd wandte sie dem Dorf, dem Grab und dem entfremdeten Mann den Rücken zu.
    Vielleicht würde ihn eines Tages wiedersehen.
    Vielleicht, um sich zu rächen...
    ***
    In der ersten Abenddämmerung erreichten sie die Bucht. Menschen waren nirgends zu sehen. Zwischen den Dünen ließ Aruula das Nachtlager aufschlagen. Wachen wurden eingeteilt, Felle und Decken im Sand ausgerollt. Zum Glück regnete es nicht.
    Aruula beugte sich über Lusaana. Die Haut der Königin glühte. Begleitet von zwei der Jungkrieger gingen Arjeela und Tumaara hinunter zum Ufer, um Wasser zu holen. Mit feuchten Wickeln wollte Aruula das Fieber der Königin herunterkühlen. Die eiternde Wunde am Handgelenk säuberte sie mit Süßwasser aus ihrer Feldflasche und verband sie anschließend.
    Lusaana
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