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303 - Tod einer Königin

303 - Tod einer Königin

Titel: 303 - Tod einer Königin
Autoren: Jo Zybell
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Kriegerin stieß ächzend die Luft aus, als ihre Lanze ihn verfehlte und in den Boden fuhr.
    Grao’sil’aana ging zum Gegenangriff über. Er sprang auf die Kriegerin zu, als die bereits ihr Kurzschwert aus der Scheide riss. Er blockte den Schlag schon im Ansatz mit seinem linken Unterarm ab, stieß gegen ihren schlanken Körper und umfasste den Hals der Frau mit dem rechten Arm.
    Ein Keuchen entrang sich ihrer Kehle, als er zudrückte. Damit es bei diesem einen Laut blieb, verformte er seinen Arm und ließ ihn über ihre Nase und den Mund wachsen. So riss er sie zu Boden.
    Mit seinem ganzen Gewicht lag er auf ihr, verschränkte seine Beine um ihre, damit auch ihr panisches Gestrampel keinen Lärm verursachte.
    Doch was nun? Grao befand sich in einem Dilemma. Er konnte doch keine Kriegerin der Dreizehn Inseln umbringen! Im Dunkeln hatte er ihr Gesicht nicht richtig gesehen. Ob er sie kannte? Sie wand sich, ächzte und röchelte. Sie spürte, dass sie ersticken würde, wenn sie der Umklammerung nicht entkam.
    Grao’sil’aana kämpfte mehr mit sich selbst als mit ihr. Die Dreizehn Inseln hatten gerade begonnen, seine neue Heimat zu werden, die Bewohner sein neues Volk. Ausgeschlossen, einen von ihnen zu töten!
    Andererseits ging es um mehr als um das unbedeutende Leben eines einzigen Primärrassenvertreters. Es ging um die Zukunft dieser Rasse. Und es ging darum, das Volk der Dreizehn Inseln vor einer ungeeigneten, ja gefährlichen Königin zu bewahren.
    Er hatte keine Wahl, er musste sie töten. Als er den Hebel ansetzte, um ihr das Genick zu brechen, merkte er, dass sie längst erschlafft war. Sie atmete nicht mehr, ihr Herz stand still.
    Sie war erstickt.
    Ein ungutes Gefühl beschlich ihn, nahm ihn geradezu gefangen. Mit aller Kraft seines Willens lehnte er sich dagegen auf – nicht schon wieder diese lästigen Gefühle! Weg damit! Auf glasklare Gedanken, auf messerscharfen Verstand kam es jetzt an.
    Grao’sil’aana ließ die Leiche los. Sein Plan war zu wichtig, um ihn vom Mitgefühl für ein einziges, unbedeutendes Lebewesen gefährden zu lassen.
    Er nahm das Kurzschwert der Toten an sich. Mit ihm und der Lanze bewaffnet huschte er auf den Platz und lief dem Zelteingang entgegen. Dabei sicherte er in alle Richtungen.
    War diese Kriegerin allein hier zurückgeblieben, um Aruula bei ihrer Rückkehr in Empfang zu nehmen? Oder gab es noch weitere, die zwischen den Büschen und Ruinen hockten und seine Tat beobachtet hatten?
    Zumindest Letzteres war unwahrscheinlich. Sie wären ihrer Schwester sofort zu Hilfe gekommen. Und würden sie nicht auch jetzt noch eingreifen, da sie sahen, dass sich ein Feind dem Prachtzelt und damit ihrer neuen Königin näherte?
    Nein, schlussfolgerte Grao. Niemand war mehr hier, der Aruula beistehen konnte. Er würde seinen Plan ungestört verwirklichen können. Zum Besten aller...
    ***
    Aruula schnallte das Schwert ab und lehnte es gegen den Thronsessel. Sie ließ die Fingerspitzen über den hauchdünnen Kleiderstoff gleiten, beugte sich darüber, um daran zu riechen, und sog den Duft des edlen Teiles ein. Es roch nach einer Mischung aus Kolkgefieder und blühenden Kirschbäumen.
    Wie mochte es sich wohl anfühlen, das Gewand einer Königin zu tragen?
    Aruula nahm das kurze Kleid hoch und schlüpfte hinein – wie eine zweite, gewichtslose Haut schmiegte sich der Stoff an ihre Schultern, Brüste und Taille. Sie drehte sich und bedauerte, dass Juneeda nicht auch an einen Spiegel gedacht hatte.
    Aruula schnallte den Ledergurt um, warf sich auch den roten Königinnenumhang über die Schulter und verknotete ihn zwischen den Schlüsselbeinen. Sie drehte sich mal nach links und mal nach rechts. Alles passte perfekt. Waren die Kleidungsstücke etwa für die angefertigt oder geändert worden? Zuzutrauen war es Juneeda.
    Sie ging zum Thronsessel und betrachtete ihn nachdenklich. Oft hatte sie Lusaana nicht darin sitzen sehen, doch bei den wenigen Gelegenheiten, zu denen sie vor den Thronsitz getreten war, hatte sie jedes Mal die Würde empfunden und den Glanz, die von ihm ausgegangen waren. Sie beugte sich vor und ließ ihre Rechte über das Sitzpolster gleiten, wagte es schließlich und nahm darin Platz.
    Dazu musste sie ihr Schwert aus der Rückenkralle nehmen. Im Sitzen strich sie gedankenverloren über den Griff. War es nicht ihre Pflicht, dem Ruf der Kriegerinnen zu folgen? Würde sie sich nicht schuldig machen, wenn sie der Weissagung der Göttersprecherin zu entfliehen
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