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30 Sekunden Verzögerung

30 Sekunden Verzögerung

Titel: 30 Sekunden Verzögerung
Autoren: Robert Moore Williams
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ähnelte.
     
2. Kapitel
     
    Zen hörte das Grollen, er schloß seine Lippen zu einem schmalen Strich. Er erfaßte die Bedeutung des unheimlichen Geräusches in ihrer ganzen Schwere, er wußte, daß genau in vier Minuten die Berge zu beben und zu zittern beginnen würden, daß hunderttausend Blitze zugleich die Luft durchzucken und das Gebiet in eine Hölle verwandeln würden.
    Zen legte die Hände wie einen Trichter an den Mund und schrie mit weithin vernehmbarer Stimme seinen Warnruf: „Volle Deckung!“, während das unheimliche Grollen langsam verklang. Sein Blick war auf Nedra gerichtet, die Krankenschwester, die wenige Meter vor ihm den Schritt verhalten hatte. Zen wiederholte seinen Ruf und ballte die Fäuste, als er sah, daß nur ein Teil der Soldaten seinem Befehl folgte. Die Ausfälle der Gruppe an Verlusten waren erst kürzlich ergänzt worden, den Neuen fehlte die Kampferfahrung, jener Instinkt, der sich nur unter feindlichem Feuer entwickelt, und dessen Fehlen ihnen nun das Leben kosten würde. Es blieb keine Zeit, jeden einzelnen zu warnen, zu weit war die Gruppe auseinandergezogen.
    Schnelle Schritte brachten Zen an Nedras Seite, die sich erstaunt umwandte.
    „Was gibt es?“ fragte sie. „Warum schreien Sie so? Ist etwas nicht in Ordnung?“
    „Das will ich meinen“, murmelte Zen grimmig. „Haben Sie denn nichts gehört?“
    Das Mädchen schüttelte den Kopf. „Nein. Das heißt – natürlich habe ich das Grollen vernommen, man konnte es wohl nicht überhören.“ Ihr Gesicht spiegelte eine ganze Skala von Gefühlen wieder, aber Furcht war nicht darunter. „Was hatte das Grollen zu bedeuten? Kündigt es ein Gewitter an?“
    Zen starrte das Mädchen verdutzt an. Wie konnte eine Krankenschwester, wie konnte jemand, der den Krieg mit allen Schrecknissen erlebt hatte, eine derartige Frage stellen?
    „Warum antworten Sie nicht?“ fragte das Mädchen in Zens erstauntes Schweigen. „Habe ich eine dumme Frage gestellt?“
    „Das haben Sie, bei Gott!“ nickte Zen grimmig. „Und nun kommen Sie endlich!“
    „Wohin wollen Sie?“
    „Dorthinein!“ brummte Zen und zog das Mädchen mit sich. Er hatte eine winzige Höhle entdeckt, den Anfang eines Schachtes, wie sie in diesem Gebiet früher von Goldgräbern in die Felsen getrieben worden waren. Automatisch hatte er sich nach einer Deckung umgesehen, als das erste Grollen ertönte, das, wie er wußte, die Richtungsänderung einer vom Gegner ferngelenkten Rakete verkündete. Diese Höhle konnte Rettung und Überleben bedeuten.
    In langen Sätzen sprang er auf die Deckung zu, ohne den Griff um Nedras Handgelenk zu lockern.
    „Warum haben Sie es plötzlich so eilig?“ erklang ihre hastige Stimme neben ihm. „Erwarten Sie, daß etwas geschieht?“
    Zen schob das Mädchen in die Höhle, die sich knapp drei Meter tief in den Fels senkte, und blickte auf seine Armbanduhr. „In zwei Minuten werden Sie es erfahren“, nickte er heiser. „Beten Sie zu Gott, daß wir es überstehen!“
    Draußen begann ein Soldat zu schreien. Zugleich erklang wieder das dumpfe Grollen vom Himmel, als das Geschoß abermals seine Richtung änderte. Sekunden später vernahmen sie die Detonation. Für lange Zeit war die Hölle los. Die Wände der Höhle bebten und schwankten, gelblich roter Staub quoll aus Ritzen und Fugen, ein Felsbrocken von der Größe eines mittleren Hauses sauste zischend am Eingang vorüber und knickte vereinzelte Bäume, als wären sie Streichhölzer. Ein prasselnder Regen von Steinen und Geröllen folgte, langanhaltender Donner, dessen Echo sich zwischen den Felswänden vervielfältigte, übertönte jedes andere Geräusch.
    Zen beobachtete gespannt die Reaktion Nedras. Sie hatte die Hand auf seinen Arm gelegt, und nur der Druck ihrer Finger hatte sich etwas verstärkt, während draußen die Katastrophe mit unvorstellbarer Gewalt abrollte. Sie zeigte kein Zeichen von Panik, es war ihr nicht anzumerken, ob sie die Vorgänge überhaupt begriff. Zen schüttelte düster den Kopf.
    „Haben Sie denn keine Nerven?“ fragte er. „Jede andere Frau hätte Zustände bekommen und in meinen Armen Schutz gesucht. Warum Sie nicht?“
    Nedra blies den rötlichen Staub von Zens Schulter. „Es tut mir leid, Oberst, daß ich Sie enttäuschen muß“, erwiderte sie lächelnd. „Wahrscheinlich wurde meine Erziehung in gewissen Punkten vernachlässigt.“
    „Haben Sie wirklich keine Furcht, Nedra?“
    „Nein, warum sollte ich?“
    „Dann sind Sie kein menschliches
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