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2x Professor Manstein

2x Professor Manstein

Titel: 2x Professor Manstein
Autoren: Kurt Mahr
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gekommen sind! Ich hätte Sie so gerne abgeholt – aber wir haben hier alle Hände voll zu tun. Entschuldigen Sie das bitte!“
    Manstein winkte ab. Er ließ sich aus dem Mantel helfen und sagte:
    „Sagen Sie mir nur: Sollte der Vortrag nicht ursprünglich an einem Samstag stattfinden?“
    „Aber nein! Er war schon immer auf heute festgelegt!“
    „Und heute ist Freitag, nicht wahr?“
    Walter runzelte die Stirn.
    „Selbstverständlich, Professor!“
    Manstein schüttelte den Kopf.
    „Können Sie es mit Ihren Kenntnissen von der Materie der Physik vereinbaren, daß ich ganz gewiß an einem Sonnabend in Darmstadt abgefahren bin und an dem vorhergehenden Freitag hier ankomme?“
    Sie waren ein Stück weit die Treppe hinaufgegangen; jetzt blieb Walter stehen.
    „Aber, Professor …“
    Er lachte plötzlich.
    „Ach so! Ich verstehe! Da war diese kleine Feier gestern, nicht wahr?“
    Manstein nickte.
    „Ich hoffe, daß es das war! Haben Sie ein Telefon hier?“
    „Oben am Treppenabsatz!“
    Manstein nahm das Telefonbuch zur Hand und blätterte eine Weile darin herum. Dann wählte er eine Nummer.
    „Ja – hier ist Professor Manstein. Kann ich bitte Ihre Fahrplanstelle sprechen?“
    Walter verstand, daß die Stimme versprach, ihn weiter zu verbinden. Nach einer Weile meldete sich jemand anderes.
    „Ich habe eine Frage, die mich sehr interessiert“, sagte Professor Manstein. „Der Eilzug von Friedrichshafen nach Frankfurt hat heute etwa zehn Minuten Verspätung gehabt! Stimmt das?“
    Soviel Walter verstehen konnte, beeilte sich der Fahrplanbeamte zu versichern, daß der Eilzug 461 fast jeden Tag zehn Minuten Verspätung habe. Manstein wurde leicht ungeduldig.
    „Ja – aber heute hätte er sie beinahe wieder hereingeholt, wenn er nicht bei der Einfahrt in Frankfurt um mindestens acht Minuten wieder aufgehalten worden wäre! Können Sie in Erfahrung bringen, ob das stimmt?“
    Der Mann am anderen Ende sagte „Ja“ und schien sich dann zu informieren. Nach einer Minute sprach er wieder.
    Manstein hörte ihn an und nickte befriedigt.
    „Jetzt noch eine Frage, die ich Sie ernst zu nehmen bitte: Sind Sie sicher, daß das heute und nicht morgen geschehen ist?“
    Zehn Sekunden lang war es still im Telefon. Dann begann der Beamte so hastig zu sprechen, daß Walter kein Wort mehr verstand. Manstein schüttelte indigniert den Kopf und unterbrach das Gespräch dadurch, daß er den Hörer auflegte.
    „Ich fürchte, ich habe mich nicht richtig ausgedrückt“, sagte er, als wolle er um Entschuldigung bitten. „Man darf einfachen Beamten nicht allzuviel zumuten!“
     
    *                     *
    *
     
    Der Vortrag wurde genau das, was man im allgemeinen von Manstein’schen Vorträgen erwartete: ein großer Erfolg. Manstein sprach über die modernsten Darstellungen des Materiefeldes und erntete starken Beifall. Nach dem Vortrag wurde er zu einer kleinen Cocktail-Party eingeladen. Er wollte ablehnen, aber Walter war nicht der Mann, den man so leicht abschüttelte.
    Manstein ließ sich überreden. In der Erinnerung an die geringe Hilfe, die ihm die fünf Cognacs geboten hatten, beschränkte er sich jedoch darauf, nur das zu trinken, was er nicht umgehen konnte.
    Immerhin getraute er sich nach einer Stunde, den Anwesenden zu erzählen, was ihm heute zugestoßen sei. Man belohnte ihn mit einem derart wiehernden Gelächter, wie Manstein es bis jetzt mit seinen besten Witzen noch nie erreicht hatte. Offenbar hatte niemand die Absicht, ihn ernst zu nehmen.
    „Dabei fällt mir ein, Professor“, sagte Walter, „erinnern Sie sich noch an das Seminar, das Reukauf vor einem halben Jahr gehalten hat?“
    Manstein nickte.
    „Denselben Fehler hat er vor ein paar Tagen noch einmal gemacht – diesmal allerdings vor einem weniger erlauchten Publikum!“
    Walter lachte, aber Manstein wußte nicht weswegen.
    „Welchen Fehler hat er denn gemacht?“ fragte er verdutzt.
    Walter hielt mitten im Lachen inne. An seinem mehr als verblüfften Gesichtsausdruck konnte Manstein deutlich ablesen, was der Dozent im Augenblick von ihm hielt.
    „Aber Professor! Sie erinnern sich doch gewiß noch, daß Reukauf damals vor einigen Professoren allen Ernstes behauptete, die Temperatur gehe in das Stefan-Botzman’sche-Strahlungsgesetz in der fünften statt in der vierten Potenz ein. Erinnern Sie sich nicht mehr, wie er deswegen noch monatelang gehänselt wurde?“
    Manstein blickte zu Boden und schüttelte den Kopf.
    „Ich
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