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291 - Die heilige Stadt

291 - Die heilige Stadt

Titel: 291 - Die heilige Stadt
Autoren: Christian Schwarz
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verarmten Patriziern, die an den Straßenecken als Bettler verkleidet um milde Gaben baten, aber danach stand ihr nicht der Sinn.
    Auf der Piazza San Marco traf sie den groß gewachsenen schlanken Mann, der sich hinter der Maske eines Dämons verbarg, zum ersten Mal. Immer wieder trafen sie sich in den nächsten Tagen, als zögen sie sich gegenseitig an, und plauderten angeregt. Als Francesca bereit war, sich mit ihm zu paaren, fand sie ihn nicht mehr wieder bis zum Martedi Grasso, dem letzten Karnevalstag. Erst da tauchte er wieder auf und schenkte ihr einen Diamanten, den sie auf dem Campo San Rocco im dortigen Juweliergeschäft einlösen sollte.
    So machte sie die Bekanntschaft des Juwelenhändlers Niccolò Polo und dessen sechsjährigen Sohnes Marco. Niccolò, der ihr dämonischer Traumprinz gewesen war, hielt mehr, als sie sich von ihm versprochen hatte, und so waren sie und der Witwer schon bald unzertrennlich. Sie verführte den schönen düsteren Mann nach allen Regeln der Kunst und liebte ihn so, dass sie seinen Verlobungsantrag annahm.
    Noch im selben Jahr reiste Niccolò mit seinem Bruder Maffeo an den Unterlauf der Wolga, um dort Edelsteine zu verkaufen. Francesca begleitete die kleine Reisegesellschaft. Der Weg führte sie über Konstantinopel nach Sudak auf der Krim, wo der dritte der Polo-Brüder, Marco der Ältere, ein gut gehendes Handelskontor betrieb. Nach erfolgreichen Geschäften mit den mongolischen Khanen der dort herrschenden Goldenen Horde machten sie auch die Bekanntschaft des Dschingis-Kahn-Enkels Berke Khan, in dessen Nähe sie sich etwa ein Jahr aufhielten und neuerlich gute Geschäfte machten.
    »Dein Palast ist das Schönste und Reichste, was ich jemals zuvor gesehen habe«, sagte Francesca, die das Mongolische sehr schnell gelernt hatte, zu dem lüsternen, gutaussehenden Khan, als sie neben ihm auf seinem Fellbett lag und ihn streichelte.
    »Ja«, erwiderte Berke und strich sich über seinen Schnurrbart. »Ich habe viele Reichtümer angehäuft, aber sie sind nichts gegen die Reichtümer Agarthas.«
    Francesca, deren Bereitwilligkeit dem Khan gegenüber ihrer aller Lebensversicherung war, lief es eiskalt über den Rücken. Sie hatte ihre Zeit in Atlassa niemals vergessen und erinnerte sich noch an viele Details.
    Agartha war der Name eines der atlassischen Orakel gewesen! Konnte das Zufall sein? Hatten einige Luftschiffe der Deserteure vielleicht doch sichere Gefilde erreicht?
    Manil'bud wollte es unbedingt wissen. Sie fragte Berke aus, aber der Mongolen-Khan konnte ihr auch nicht allzu viel erzählen, glaubte aber, dass der Großkhan Kubilai in Peking mehr darüber wissen könnte.
    Francesca, die geradezu fasziniert von Agartha war, wollte so schnell wie möglich nach Peking. Aber Berke Khan ließ sie nicht so ohne weiteres gehen. Erst der Krieg, den er gegen den Mongolenfürsten Hülägü führte, eröffnete den Venezianern die Möglichkeit, sich aus dem Staub zu machen. Die Kriegswirren trieben die kleine Handelsgesellschaft allerdings immer weiter nach Osten über den Fluss Ural und die Seidenstraße entlang bis nach Buchara. Dort mussten sie drei Jahre verweilen.
    Immer wieder hörte Francesca nun die Legende von Agartha, ohne dass sie neue Informationen bekam. Sie saß wie auf glühenden Kohlen. Aber erst 1265 konnten sich die Venezianer einer persischen Gesandtschaft anschließen, die in die chinesische, mongolisch besetzte Hauptstadt reiste. Nach einjähriger Reisezeit trafen sie schließlich in den Wintermonaten 1266 am Hof des Mongolenherrschers Kubilai in Peking ein.
    Francesca sorgte dafür, dass Kubilai schon sehr bald fasziniert von ihr war, und das hatte sehr zweitrangig mit ihren Sprachkenntnissen zu tun. Es gelang ihr auch jetzt wieder, den eifersüchtigen Niccolò zu besänftigen, indem sie ihm glaubhaft vorlog, von den Herrschern nur zum Essen eingeladen zu werden.
    Kubilai, fast schon ein Greis, dem sie noch einmal den Himmel auf Erden bereitete, konnte ihr endlich die so lange ersehnte Information liefern.
    »Agartha befindet sich auf dem Dach der Welt«, lispelte Kubilai. »Niemand weiß allerdings, wo genau der Eingang in das goldene Königreich liegt. Einige wenige Eingeweihte wie ich vermögen aber zu sagen, dass die Stadt Lhasa mit dem goldenen Königreich in Verbindung stehen muss.«
    Francesca versuchte Niccolò, den sie noch immer liebte, zu einem Abstecher nach Lhasa zu überreden. Kubilai habe ihr erzählt, dass es dort sagenhafte Reichtümer gebe. Aber
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