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291 - Die heilige Stadt

291 - Die heilige Stadt

Titel: 291 - Die heilige Stadt
Autoren: Christian Schwarz
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Niccolò, der wieder heim nach Venedig wollte, war nicht umzustimmen.
    Also fasste Francesca schweren Herzens einen Entschluss. Sie verließ Niccolò bei Nacht und Nebel, verkleidete sich als Mann und schlug sich in langen Monaten voller Entbehrungen und Anstrengungen nach Lhasa durch.
    In der Bergstadt, die von einem riesigen Bauwerk namens Phodrang Karpo, Weißer Palast, gekrönt wurde, sah sich die Europäerin umgehend der allgemeinen Aufmerksamkeit ausgesetzt. Noch niemals zuvor hatten die Menschen hier einen Weißen gesehen. Das entnahm sie den Reden, denn Francesca hatte sich in den letzten Wochen in einer kleinen Hirtenhütte am Yardrog-See mit der ihr eigenen Fertigkeit zumindest die Grundkenntnisse der tibetischen Sprache angeeignet.
    Es dauerte nicht lange und Francesca wurde in den Herrscherpalast gebeten, weil der Vizekönig Düdjom Gyatsho sie empfangen wollte. Die Überraschung war groß, als sie sich als junge hübsche Frau zu erkennen gab. Auch Düdjom konnte ihren Verführungskünsten schlussendlich nicht widerstehen und Francesca wurde seine Geliebte.
    Ab nun genoss sie alle Vorteile, die sie hier oben in dieser weltabgeschiedenen Gegend haben konnte. Überall, wohin sie kam, wurde ihr größte Ehrerbietung entgegengebracht. Weil ihr Geliebter deutliche Anzeichen von Angst zeigte, als sie ihm gegenüber das Gespräch auf Agartha brachte, und nicht über dieses Thema reden wollte, begann Francesca alle möglichen Leute aus dem Volk nach dem goldenen Königreich zu fragen, im Palast genauso wie auf dem Markt oder anderswo. Sie bekam zwar zahlreiche Geschichten erzählt, aber konkrete Hinweise waren nicht dabei. Ein kleiner schmaler Mönch namens Phodrang wurde als Einziger deutlich: »Agartha ist nur für Eingeweihte zugänglich, lass am besten die Finger davon«, sagte er und beantwortete weitere Fragen mit eisernem Schweigen.
    Francesca war nahe dran, aufzugeben, als sie in ihrer fünften Woche in Lhasa plötzlich ein riesiges, golden schimmerndes Luftschiff schlank und langgezogen über die Stadt fliegen sah!
    Die junge Frau begann wie Espenlaub zu zittern und fühlte derartige Schwäche in ihren Beinen, dass sie sich auf einem Brunnenrand niederlassen musste.
    »Ein atlassisches Luftschiff«, flüsterte sie ergriffen. »Noch größer als die damaligen, aber genau die Form. Sie sind hier! Agartha muss hier irgendwo sein…«
    Francesca verstärkte ihre Anstrengungen. »Das Luftschiff, das ich am Himmel gesehen habe, ist einst über Atlassa geflogen«, sagte sie zu Düdjom, als sie keuchend neben ihm lag. Wenn er auch ein Feigling zu sein schien, so war er immerhin ein fantastischer Liebhaber.
    Der Vizekönig starrte sie an. »Atlassa? Was soll das sein?«
    »Das weißt du nicht? Atlassa war eine Insel im Meer mit einer hochstehenden Kultur, die einst die ganze Welt beherrscht hat. Es gab insgesamt vier Orakel dort. Eines hieß Agartha. Verstehst du, Düdjom? Seit ich das Luftschiff gesehen habe, weiß ich, dass Agartha keine Legende ist. Die Überlebenden der Katastrophe, die Atlassa im Meer versinken ließ, sind hier. Hier unter uns!«
    Bereits am nächsten Tag wurde Francesca auf dem Markt von zwei orangerot gekleideten Mönchen angesprochen. »Unser Meister lädt dich sehr herzlich in unser Kloster ein, weil er mit dir sprechen möchte. Möglicherweise weiß er etwas über Atlassa.«
    Francesca fühlte es heiß und kalt über ihren Rücken laufen. »Natürlich nehme ich die Einladung an. Es ist mir eine große Ehre.«
    Auf einem Eselskarren legten sie etwa zehn Kilometer zurück, bis sie ein in den Bergen liegendes kleines Kloster mit bunten Pagodendächern erreichten. Etwa dreißig Mönche machten im Hof gerade ihre Meditationsübungen, als Francesca vor den Klostervorsteher geführt wurde.
    »Phodrang!«, stieß sie erstaunt hervor. »Meister Phodrang!«
    Phodrang bot ihr zu essen und zu trinken an und fragte sie aus, was sie über Atlassa wisse. »Viel kann es ohnehin nicht sein, denn heute weiß niemand mehr etwas über Atlassa. Ich selbst habe alle Informationen über den legendären Kontinent gesammelt, denn ich glaube wie du, dass er etwas mit Agartha zu tun hat. Viel ist es allerdings nicht.« Ein strenges Lächeln überzog sein Gesicht. »Die Göttin Atlassas hieß Khom, und um ihren Palast führten sieben ringförmige Kanäle. Auch das Hinterland Atlassas wurde durch rechtwinklig angelegte Kanäle optimal gewässert, sodass die Ebenen der Insel reich und fruchtbar waren. Das ist das
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