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291 - Die heilige Stadt

291 - Die heilige Stadt

Titel: 291 - Die heilige Stadt
Autoren: Christian Schwarz
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konzentriert nachzugrübeln.
    In diesem Moment hielt ihr Alastar die Faust vors Gesicht und fuhr den Zeigefinger aus. »Beiß rein«, sagte er.
    Damit hatte die Frau, vom Nachdenken ohnehin abgelenkt, nicht gerechnet. Die außergewöhnliche Situation sorgte für eine Rückfrage von Khyentses Verstand in ihrem Unterbewusstsein, um zu sehen, ob es dort Lösungen gab, wie man die Situation am besten auflösen konnte. Während die Rückfrage lief, entstand für einige Momente ein leerer Raum im Bewusstsein der Großen Rätin , eine Art Fenster ins Unterbewusstsein, und dieses nutzte Alastar blitzschnell aus.
    »Du bist müde, Khyentse«, sagte er.
    »Ich bin müde.«
    »Setz dich und entspanne dich.«
    Khyentse setzte sich tatsächlich auf den nackten Boden.
    »Fühlst du dich entspannt?«
    »Ja.«
    Alastar war nicht nur ein Meister der Lüge, sondern auch ein meisterhafter Hypnotiseur. Als er Matt vor einigen Wochen auf diese Art und Weise hypnotisiert hatte, hatte Xij das »Blitzinduktion« genannt. Bei den meisten Menschen klappte diese Form der schlagartigen Hypnose, wenn sie nicht darauf vorbereitet waren. Khyentse machte da keine Ausnahme.
    »Ich bin dein Herr. Du wirst alles tun, was ich dir sage.«
    »Ja, Herr. Ich tue alles, was du mir sagst.«
    »Gut. Du wirst mich ab jetzt einmal am Tag zu dir rufen, weil du mit mir über Chan sprechen willst.«
    »Ja, Herr.«
    »Nenne mich nicht Herr, sondern Alastar. Wenn ich dich wieder wecke, wirst du dich an nichts von dem, was gerade geschehen ist, erinnern. Du wirst wissen, dass wir Chans Liebesbeweis nicht gefunden haben, aber du wirst nicht enttäuscht darüber sein.«
    »Ich werde nicht enttäuscht darüber sein, Alastar.«
    Alastar verstärkte noch einmal den posthypnotischen Befehl, ihm bedingungslos zu gehorchen, in ihrem Unterbewusstsein, und weckte sie mit einem Fingerschnippen.
    Khyentse schaute sich um. Dann lächelte sie. »Es wäre schön gewesen, wenn wir den Liebesbeweis gefunden hätten. Aber ich bin nicht enttäuscht deswegen. Du hast dein Bestes getan, Alastar. Komm, lass uns gehen.«
    Der Chefexekutor grinste erneut, als er ihr folgte. Am liebsten hätte er nun auch noch einen Blick in die anderen Geheimen Kammern geworfen, aber es war besser, wenn sie bis zum Morgengrauen zurück waren. Noch kannte er die Abläufe in Agartha nicht; auch eventuellen unangenehmen Fragen von Matt, Rulfan und Aruula wollte er tunlichst aus dem Weg gehen.
    Man durfte den Bogen nicht überspannen. Dass er nach so kurzer Zeit bereits über eine mächtige Verbündete verfügte, die er nach Belieben steuern konnte, war für den Moment genug.
    ***
    Die beiden Mönche huschen wie Schemen durch die langen Gänge. Sie scheinen in Wasser zu schwimmen, denn ihre Erscheinungen sind seltsam unscharf und verschwommen. Immer wieder drehen sie die Köpfe. Plötzlich kommen ihre Gesichter näher, werden rasend schnell herangezoomt. Ein höhnisches, gemeines Grinsen liegt darauf. Überlange Zähne ragen aus den überdimensionalen, weit aufgerissenen Mündern, die sich über die junge hübsche Frau stülpen und sie fressen…
    Xij schrie laut, warf sich in ihrem weichen Bett hin und her und schlug um sich. Das starke Beruhigungsmittel, das ihr die Mediker injiziert hatten, schien immer nur kurze Zeit zu wirken, bis sich die innere Unruhe und die Albträume erneut Bahn brachen.
    Zwei Krankenschwestern eilten herbei und versuchten die Schweißgebadete zu beruhigen, bis der Mediker da war. Als sie Xij berührten, brüllte diese wie am Spieß und schlug und trat um sich. Die jüngere Schwester schrie ebenfalls, weil sie einen Tritt an den Oberschenkel kassierte.
    Die Mönche huschen durch dichte weiße Schwaden. Überall tauchen die orangerot gekleideten Glatzköpfe aus den Nebeln, gehen kreuz und quer. Ein großer finsterer Schatten wird plötzlich in den Nebeln sichtbar, nimmt Konturen an, und je deutlicher er sichtbar wird, desto schneller saugt er die Schwaden in sich hinein. Klar und strahlend präsentiert sich schließlich das Gebilde, ein Malstrom mit irritierenden Flecken darin, die sich dem Auge entziehen wollen. Xij hat fürchterliche Angst vor dem, was sie niemals wieder sehen wollte, und zittert bis in ihr Innerstes, und doch sind da die Stimmen, die sie locken. Vertraute Stimmen.
    Komm zu uns, Xij. Wir gehören zusammen, sind eins. Komm schnell. Komm zu uns. Wir haben so lange auf dich gewartet…
    Immer lauter und drängender werden die Stimmen. Xij kann ihnen schließlich nicht
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