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284 - Augen der Ewigkeit

284 - Augen der Ewigkeit

Titel: 284 - Augen der Ewigkeit
Autoren: Oliver Fröhlich
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setzte er sich in eine der Gondeln, ließ sich festschnallen und los gingen die fürchterlichsten und längsten sechzig Sekunden seiner bisherigen zwölf Lebensjahre. Das Karussell vollführte Bewegungen, auf die ein menschlicher Körper einfach nicht ausgelegt sein konnte. Rauf, runter, hin und her. Immer wieder unerwartete Richtungs- und Tempowechsel. Und ständig rauf, runter, vor, zurück, hin und her.
    Er war sich vorgekommen wie ein Stück Wäsche in einer durchgedrehten Trockenschleuder. Und heute fühlte er sich ganz genauso.
    »Unter Wasser würde es nicht so schaukeln.« Die Stimme zu seiner Linken holte ihn in die Gegenwart des Jahres 2526 zurück.
    Auf dem Copilotensitz des Amphibienpanzers, mit dem sie seit einigen Wochen unterwegs waren, hockte Xij Hamlet. Der androgynen jungen Frau hatten sie es zu verdanken, dass sie nach dem Abschuss ihrer Flugandronen die Reise nicht zu Fuß fortsetzen mussten. Denn dank ihr hatten sie die Gewölbe der CHAPEL HILL LABORATORIES ausfindig gemacht und dieses Relikt aus der fernen Vergangenheit des 21. Jahrhunderts an sich bringen können. [1]
    Der Prototyp XP-1. Oder PROTO, wie Aruula ihn kurzerhand getauft hatte.
    Im Augenblick hätte Matt den Namen Belly-Twister für angemessener gehalten. Denn die stürmische See des Ärmelkanals, den sie gerade überquerten, bot ihnen die Fahrt ihres Lebens. Rauf, runter, hin und her. Immer wieder. Als ehemaliger Pilot der US Air Force war er zwar einiges gewohnt, aber dieses Geschüttel wurde selbst ihm zu viel.
    Xij schien davon jedoch nur wenig beeindruckt. In lässiger Haltung lümmelte sie auf dem Sitz zu seiner Linken. Die halbhohen Stiefel aus weichem Leder hatte sie ausgezogen und nun rutschten die Schuhe ständig im Cockpit umher.
    »Es ist nicht mehr weit bis Caalaj«, verkaufte Matt der jungen Frau eine Hoffnung als Tatsache. »Den Rest der Strecke halten wir jetzt auch noch durch.«
    Xij hob die Arme und grinste. »Von mir aus. Ich hab keine Probleme damit.«
    Nein, die hatte sie nicht. Dafür aber Aruula, die hinten in einer Koje lag und vermutlich tausend Seekrankheitstode starb.
    Bei ihr befand sich Victoria, die ehemalige Königin von Britana. Ihretwegen nahmen sie das Geschaukel auf sich. Zunächst hatten sie nämlich versucht, den Ärmelkanal auf dem Meeresgrund zu durchfahren. Doch bereits nach wenigen Minuten hatte Victoria so etwas wie eine Angstattacke erlitten.
    »Wir müssen sofort wieder auftauchen!« Sie hatte gekeucht und sich an den Hals gegriffen. »Ich bekomme… keine Luft. Ich fühle mich… wie lebendig begraben!«
    Wenn sie auch nicht so gemeint waren, weckten die Worte in Matt tiefe Schuldgefühle. Denn Victoria war vor nicht allzu langer Zeit tatsächlich lebendig begraben gewesen. Und Matt und Aruula trugen die Schuld daran! Sie hatten der versteinerten Ex-Queen mit der Beerdigung die letzte Ehre erweisen wollen. Hätten sie geahnt, dass sich die Opfer der Schatten nach deren Vernichtung in Fleisch und Blut zurückverwandelten, hätten sie von der Beisetzung natürlich abgesehen.
    Gott sei Dank hatten sie das Grab nicht allzu tief ausgehoben, sodass Victoria sich nach dem Erwachen befreien konnte. Dennoch jagte es Matt jedes Mal eine Gänsehaut über den Rücken, wenn er versuchte, sich in die ersten bewussten Sekunden der entsteinerten Queen hineinzuversetzen. Er glaubte dann, das Gewicht der Erde und Steine auf seinem Körper und den Dreck zwischen den Zähnen zu spüren.
    Er schüttelte sich bei dem Gedanken.
    Auch wenn Victoria Windsor ihnen keine Vorwürfe machte, fühlte er sich schuldig. Er konnte nachvollziehen, dass diese Erfahrung sie psychisch angeknackst hatte. Also war es für ihn selbstverständlich gewesen, wieder aufzutauchen und die Überfahrt im Bootsmodus zu unternehmen.
    »Du hast recht!« Xij zeigte auf den Frontmonitor, auf dem außer grauem, aufgepeitschten Wasser nicht viel zu erkennen war. »Ich glaube, da vorne ist Land.«
    Matt schaute genauer hin. Tatsächlich! Immer wenn eine Welle PROTO in die Höhe hob, konnte er am Horizont die Küste entdecken.
    Zwanzig Minuten später rollten sie endlich an Land.
    »Und jetzt?«, fragte Xij.
    »Weiter Richtung Osteuree. Dorthin, wo das brennende Götterhaus auf die Erde gestürzt ist.«
    Von Jenny Jensen hatten sie von einem Gebilde erfahren, das vor Wochen in Flammen gehüllt über den Himmel gezogen und im Osten niedergegangen sein sollte. Jenny, die wie Matt aus der Vergangenheit stammte, hatte geschworen, dass es sich dabei
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