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283 - Der Zorn der Königin

283 - Der Zorn der Königin

Titel: 283 - Der Zorn der Königin
Autoren: Mia Zorn
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die Frau: Das Ziel lag im Osten. Dort mussten sie hin!
    Sie und ihr Mann, die nie weiter als bis nach Sidemouth gekommen waren. Deren größtes Lebensabenteuer darin bestand, bei einem nächtlichen Ausflug im Boot einem fünfzehn Fuß langen Swoordfisch begegnet zu sein. Jetzt würden sie ihre Unterkunft verlassen, in der sie über vierzig Winter verbracht hatten. Würden über die Grenzen Britanas hinweg in den Osten ziehen, um einer neuen Bestimmung gerecht zu werden.
    Bei dem Gedanken daran röteten sich Ennas Wangen vor Aufregung. Obgleich sich ihr Körper immer noch müde und erschöpft anfühlte, tanzte ihr Geist. Jung und stark empfand sich die füllige Frau. Bäume wollte sie ausreißen. »Ja, natürlich, Darling. Wo habe ich nur meinen Kopf?« Resolut klopfte sie sich den Staub von der Schürze. »Mir wird ganz schwindelig, wenn ich daran denke, was wir alles brauchen werden. Decken und warme Kleidung. Vorräte und Kochgeschirr. Wo nur fange ich an?« Am liebsten hätte sie sofort mit dem Packen begonnen.
    Doch Meikel hielt sie auf. »Warte, warte. Nicht so schnell!« Er kam zu ihr und nahm sie in den Arm. »Wir müssen essen. Wir müssen schlafen. Ausgeruht müssen wir sein für die lange Reise«, flüsterte er ihr ins Ohr. Er küsste sie, wie schon seit Jahrzehnten nicht mehr. Seine Berührungen brachten ihr Blut in Wallung. Schließlich löste er sich von ihr. »Ich feuere den Herd ein, hole Wasser vom Brunnen und… richte oben unser Bett, Liebste.« Ein Lächeln lag auf seinem Gesicht, während er zum Ofen eilte und Holzscheide auflegte.
    Enna wusste gar nicht, wie ihr geschah. Doch gut fühlte es sich an. So gut. Versonnen strich sie sich über das Schürzenkleid. Ihre Wangen glühten, als sie den Vorratsraum neben der Küche nach Essbarem durchsuchte. Hirse und Linsen war das Einzige, was nicht verdorben war.
    Kurze Zeit später stand sie summend am Herd. Während sie die Speise zubereitete, schlich sie immer wieder zum Fenster. Vergnügt beobachtete sie ihren Mann, der im Dämmerlicht nackt bei der Wanne am Brunnen stand und sich wusch. Sie kannte Meikel kaum wieder. Sie kannte sich kaum wieder.
    Lächelnd huschte sie an den Herd zurück. Sie warf ein paar Kräuter und Salz ins Essen, schob die Töpfe an den Rand der heißen Platte und stieg kurzentschlossen ins Schlafzimmer hinauf, wo sie die Betten neu bezog und die Kissen aufschüttelte.
    Als sie wieder nach unten eilte, um zu Ende zu kochen, blieb sie am Fuß der Treppe wie angewurzelt stehen: Eine Fremde kauerte auf dem Stuhl beim Herd und schlang gierig das Linsengericht in sich hinein. Mager sah die Frau aus. Ein schmutziger Lumpen umhüllte notdürftig ihre Blöße und sie zitterte am ganzen Körper.
    Als sie Enna gewahrte, nahm ihr schmales Gesicht einen schuldbewussten Ausdruck an. »Entschuldigen Sie bitte… die Tür stand offen… ich wollte nicht stören… ich hatte Hunger…« Zögernd stellte sie den Teller auf die Anrichte und stand auf.
    Enna wich seitlich zu dem zerbrochenen Fenster aus. »Meikel!«, rief sie hinaus. »Komm schnell!«
    Nur Sekunden später erschien ihr Mann, nun wieder angekleidet, auf der Schwelle. Auch er schrak zusammen, als er die fremde Frau erblickte.
    Abwartend blickte sie von Meikel zu Enna. »Ich bin keine Diebin«, versicherte sie den beiden. »Mein Name ist Victoria Windsor. Ich bin die Tochter von King Roger III, Queen von Britana. Ehrlich gesagt weiß ich weder, wie ich unten an den Strand gekommen bin, noch, wo ich mich befinde. Ich weiß nur, dass ich dringend nach Osten muss, und erbitte Ihre Hilfe.«
    Nach den letzten Worten der Fremden tauschte Enna einen aufgeregten Blick mit ihrem Mann. Der geheimnisvolle Zauber dieses Tages schien kein Ende zu nehmen. Nicht nur, dass dieses halbverhungerte Geschöpf die Königin war, die sich ausgerechnet in ihre abgelegene Hütte verirrt hatte - sie hatte darüber hinaus auch dasselbe Ziel.
    »Wir auch«, rief die Fischersfrau. »Wir müssen auch nach Osten.«
    ***
    London, Chelsea, Ruinendorf der Lords
    »Die Welt ist'n gigantischa Scheißhaufen.« Griesgrämig beobachtete Grandlord Paacival die Nebelschwaden, die über der Themse hingen. Wie jeden Abend der vergangenen Wochen saß er mit seinem zwölfjährigen Neffen Steewens am Fluss und brachte ihm die Grundregeln des Lebens bei. »Man daaf dawin nua seinen eigenen Gewuch nich verliaan. Klaa?«
    »Mmh.« Steewens nickte abwesend, während er versuchte, einen nackten Wurm auf den rostigen Angelhaken zu
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