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282 - Der Schein trügt

282 - Der Schein trügt

Titel: 282 - Der Schein trügt
Autoren: Christian Schwarz
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sicher, dass es ein Junge wird«, erwiderte er kauend. »Seit mindestens fünf Generationen haben die Gabriel-Männer ausschließlich Jungs produziert.«
    »Ich fühle, dass ich ein Mädchen in mir trage«, beharrte Myrial.
    »Das ist eben weibliche Intuition«, mischte sich Nimuee ein, die neben ihr saß und das Gespräch mitbekam.
    »Wunschdenken, mehr nicht«, grinste Rulfan.
    Myrial umklammerte seine Hand. »Bitte flieg nicht, bleib hier bei mir… bei uns«, sagte sie fast flehend. »Ich habe in der letzten Zeit genug Angehörige verloren.«
    Rulfan schluckte den Bissen herunter, bevor er antwortete. »Fang bitte nicht wieder damit an, Myrial. Es ist alles besprochen. Ich fliege, weil ich wissen muss, was aus meinem alten Herrn geworden ist. Sei ehrlich, du würdest auch Himmel und Hölle in Bewegung setzen, wenn du das ungewisse Schicksal deines Vaters aufklären könntest. Und mit dem Luftschiff habe ich jetzt die Chance, es in angemessen kurzer Zeit zu tun. So muss ich dich nicht Monate allein lassen, denn das würde ich niemals tun. Das habe ich dir geschworen.« Einen Moment lang tauchte Pellam vor seinem geistigen Auge auf. Myrials Vater war von der Psychopathin Ninian ermordet worden, nicht weit von hier, auf Canduly Castle, Rulfans eigener Burg. [2]
    »Aber es ist gefährlich, was du vorhast«, ließ Myrial nicht locker. »Die gebrochene Stange ist eine Warnung Wudans, dass du nicht gehen sollst. Du begibst dich unnötig in Gefahr.«
    Rulfan entzog ihr seine Hand. In seinen Augen funkelte es, und es war nicht nur der Widerschein des Feuers. »Stell dir vor, ich bin schon ein großer Junge und kann ziemlich gut auf mich selbst aufpassen. Wudan will mich noch nicht an seiner Tafel. Noch lange nicht.«
    »Nicht böse sein, bitte, mein Liebster.« Sie zögerte einen Moment. »Manchmal wünsche ich mir, dass Maddrax und Aruula nicht hierher gekommen wären, um dir die Geschichte mit den versteinerten Menschen zu erzählen.«
    »Sind sie aber. Und ich bin froh darüber.«
    »Ich… habe Angst, dass diese Ninian gerade dann zurückkommen könnte, wenn du nicht da bist, um mich und unser Kind zu ermorden.«
    Rulfan beherrschte sich nur mühsam. »Sie wird nicht kommen«, sagte er mit erzwungen ruhiger Stimme. »Das Ganze ist über ein Dreivierteljahr her und seither ist sie nicht mehr aufgetaucht. Niemand in der Gegend hat sie je wieder gesehen. Um aber jedes Risiko auszuschließen, bleibst du während meiner Abwesenheit hier auf Stuart Castle. Huul und seine Celtics beschützen dich vor allen Gefahren. So haben wir's besprochen und so bleibt es. Daran ändert auch eine gebrochene Stange nichts.«
     
    In dieser Nacht schlief Rulfan kaum. Immer wieder bekam er mit, dass sich Myrial neben ihm schwer seufzend auf dem Lager wälzte. Bei Anbruch der Morgendämmerung stand er auf und machte sich mit Pat Pancis an den Rest der Reparaturarbeiten. Am späten Nachmittag war es dann so weit. Das Luftschiff bestand alle Tests und war somit startbereit. Trotzdem entschloss sich Rulfan, noch eine Nacht mit Myrial zu verbringen und erst am nächsten Morgen zu starten.
    Nach einem Frühstück, das von einer seltsam aufgesetzten Fröhlichkeit Rulfans geprägt war, pilgerten die Burgbewohner vor die Mauern. Rulfan und Myrial gingen Hand in Hand. Mit einiger Sorge bemerkte der Albino, dass der Wind deutlich aufgefrischt hatte. Seine Lebensgefährtin machte ihm aber keine Vorwürfe mehr, sondern lächelte ihm aufmunternd zu.
    »Ich liebe dich«, flüsterte er. »Und unser Kind.«
    Die Startvorbereitungen begannen. Rulfan verstaute zuerst sein Schwert, zwei Driller, zwei Wasserschläuche, einen Krug Shmaldan(Reisenahrung der Wandernden Völker, ähnlich dem indianischen Pemmikan) und etwas Trockenfleisch. Dann quetschte er sich in die nur etwa ein Meter sechzig hohe, schmale Gondel, die eine fast ovale Form aufwies und deren Seiteneinstiege offen waren. Rulfan hatte die Konstruktion in einem ehemaligen Luftfahrtmuseum entdeckt und geborgen; das Material bestand, wie auch das Gestänge, aus Leichtmetall ähnlich Aluminium. Wie überall im Flugzeugbau zählte jedes Gramm. Nur dass es seit über fünfhundert Jahren keinen Flugzeugbau mehr gab - außer in Afra, wo Kaiser de Rozier sogar fliegende Städte baute. Von seinen Rozieren hatte Rulfan sich einiges abgeschaut.
    Vor dem Albino befand sich das Armaturenbrett mit verschiedenen Knöpfen und Schaltern. Zusammen mit den Steuerhebeln, die links und rechts von ihm angebracht waren,
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