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28 Tage lang (German Edition)

28 Tage lang (German Edition)

Titel: 28 Tage lang (German Edition)
Autoren: David Safier
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sie funktionierten. Sie hielt sie dem Tyrannen entgegen, in der Hoffnung, dass irgendetwas passieren möge, dass die Spiegel ihn auflösen und wenn schon nicht auflösen, dann wenigstens lähmen würden.
    Der Spiegelmeister aber spiegelte die Spiegel so lustvoll in seinem Körper, dass die wiederum sein lachendes Ich spiegelten.
    «Die drei magischen Spiegel», höhnte er. «Ich habe sie erschaffen.»
    «Du … warum?», fragte Hannah.
    «Damit ihr nach ihnen sucht.»
    Keiner von uns verstand, wie er das meinte.
    «Ich habe auch die Geschichte von der Auserwählten in die Welt der 777  Inseln gesetzt.»
    «Heißt das …», fragte Hannah, «es gibt gar keine Auserwählte?»
    «Kluges Mädchen.»
    «Aber wieso …?»
    «Wenn die Wesen, die mein Reich bewohnen, fest daran glauben, dass ein Mädchen sie mit drei magischen Spiegeln befreien kann, greifen sie niemals selbst zu den Waffen.»
    «Das war alles nur eine Lüge …» Ich konnte es nicht fassen.
    «Die zweitschärfste Waffe des Tyrannen ist die Lüge», freute sich der Tyrann.
    «Und die schärfste?», fragte Hannah.
    «Die Angst.»
    Der Spiegelmeister begann zu wachsen und dehnte sich nach allen Seiten aus.
    «Ich wünschte, sie hätte diese Frage nicht gestellt», stöhnte der Kapitän.
    Der Tyrann wurde bucklig, überall wuchsen ihm scharfe zersplitterte Spiegel mit scharfen Kanten, die einem das Fleisch zerfetzen konnten. Er verwandelte sich in das Monster aus meinen Albträumen. Er stieß schon mit seinem deformierten Kopf an die Decke. Die Spiegelleuchter fielen zu Boden und zerklirrten in tausend Scherben. In seinen Spiegeln sah ich, wie ich auf Deutsche schoss, wie ich das kleine Baby auf dem Umschlagplatz zurückließ und wie Mama tot in ihrem eigenen Blut lag. Daneben Ruth. Und daneben Hannah. In Tausenden von Spiegeln überall Hannah.
    «Was … was hat das zu bedeuten?», fragte Hannah mich. Ihre Augen flackerten vor Entsetzen.
    «Hast du es ihr nicht gesagt, Mira?», klirrte die Stimme des Monstrums.
    «Was gesagt, Mira?», fragte Hannah völlig verzweifelt.
    Ich brachte kein Wort raus.
    «Dass Mira überlebt hat», klirrte der Spiegelmeister, «aber du, meine kleine Auserwählte, du lebst ni…!»
    «Kämpft!», schrie ich, damit er die Wahrheit nicht aussprach, und zückte ein Schwert.
    «Du kannst mich nicht besiegen, Mira», lachte er, «ich bin ein Teil von dir.»
    «Kämpft! Kämpft!», schrie ich verzweifelt.
    Da hörte ich eine zarte Mädchenstimme sagen: «Nein, bitte nicht.»
    Ich blickte zu Hannah, aber sie war genauso irritiert wie ich. Sie hatte es nicht gesagt. Die Stimme kam aus dem Nirgendwo.
    «Nicht kämpfen.»
    Jetzt erst erkannte ich: Es war die Stimme von Rebecca, der ich diese Geschichte in dem dunklen, stinkenden Kanal erzählte.
    «Ich will nicht mehr, dass gekämpft wird», bat sie.
    Sie hatte recht. Es war genug. Für ein ganzes Leben. Und noch mehr.
    Ich senkte mein Schwert. Sollte mich der Spiegelmeister doch vernichten. Wenn ich starb, musste ich mich nicht mehr schuldig fühlen, am Leben geblieben zu sein. Doch kaum hatte ich das Schwert gesenkt, begann er zu schrumpfen. Er wurde kleiner und kleiner, und als er mit mir auf Augenhöhe war, jammerte er: «Kampf ist mein Lebenselixier …»
    Doch auch wenn er schrumpfte, meine Schuldgefühle verschwanden nicht ganz, er verschwand nicht ganz, in seinen Spiegeln waren immer noch all die schrecklichen Bilder zu sehen.
    «Was ist los, Mira?», fragte Hannah noch mal.
    «Ihr …», gestand ich mit stockender Stimme, «seid alle tot.»
    Hannah brachte kein Wort raus, dafür fragte der Kapitän entsetzt: «Ich bin tot?»
    «Nein, ihr Seeleute nicht …»
    «Aha …», erwiderte der Werwolf, der nicht wusste, wie er das werten sollte.
    «… ihr habt nie existiert», erklärte ich.
    «Das ist auch nicht viel besser», erwiderte der Kapitän, der in seinem Innersten zu spüren schien, dass ich die Wahrheit sagte.
    «T… t… t… tot?», fragte Ben Rothaar.
    «Wir sind tot?», fragte auch Hannah und nahm ihren Ben wieder an die Hand.
    «Ich lass euch in deiner Geschichte weiterleben», versuchte ich ihr zu erklären.
    Sie machte mir keine Vorwürfe, dass ich sie die ganze Zeit belogen hatte, sie fragte einfach nur: «Warum?»
    «Damit du nicht endgültig stirbst», erklärte ich verzweifelt.
    «Aber ich bin das nicht hier, ich bin keine auserwählte Heldin. War ich nie.» Hannah deutete traurig auf die Spiegel, in denen ihr Abbild in der Blutlache lag. «Ich bin ein
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