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277 - Xij

277 - Xij

Titel: 277 - Xij
Autoren: Ronald M. Hahn
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wirken. Auf dem Boden - dies wird nun deutlich - liegen Zehntausende sauber abgenagte Knochen von Lebewesen vielerlei Art. Menschen inklusive. Ein Speisezimmer?
    »Ich glaube, hier sind wir richtig.« Der Lichtstrahl erfasst ein Emailleschild aus prä-eiszeitlicher Epoche: CHAPEL HILL LABORATORIES. Und darunter: Loose Lips sink Ships.
    Wie drollig.
    Du zündest zwei der Fackeln an, die mit hinab in die Kaverne gestürzt sind, und reichst eine davon Aruula. »Wo sind wir hier?«
    »In einem Kellerraum des Rüstungsbetriebs, den wir suchten.« Commander Drax schnalzt mit der Zunge. Seine Lampe erfasste verrostete Wandregale, verfaulte Holzkisten und Kunststoffbehälter. »Hier war wohl mal ein Lager. Lasst uns den Ausgang suchen - und den wirklich wichtigen Bereich.«
    Ihr bahnt euch eine Gasse durch ein Meer tierischer und menschlicher Knochen und Kadaver und sucht den Ausgang. Ihr findet eine verrottete Holztür, die in einen niedrigen schmalen Gang führt. Hinter euch verblasst das Heulen des Sturms.
    Auf beiden Seiten: Dutzende von Kammern. Die meisten haben Eisentüren und sind ohne Schlüssel nicht zu öffnen. Ihre Aufschriften sind verblasst. Andere Eingänge, deren Rahmen scharnierlos sind, haben einst als Lager gedient. Wenn sie überhaupt noch etwas enthalten, ist es von ätzend riechendem Schimmel, stinkenden Pilzen oder Rost überwuchert und unkenntlich gemacht. Da und dort sind Decken und Wände eingestürzt und haben die Räume mit Erde und Geröll gefüllt.
    Dann eine von Abermillionen wütenden Tatzen zerkratzte Stahltür. Zwei Meter hoch und breit. Der Beweis dafür, dass viele tausend Generationen unterirdisch lebender Bestien versucht haben, in die Räume dahinter vorzudringen. Ins Herz des Ganzen?
    Commander Drax drückt ein Ohr ans Metall. Er lauscht. Aruula, die ihre blutige Klinge nicht aus der Hand legt, schaut sich argwöhnisch nach allen Seiten um.
    »Kann man sie öffnen?« Deine Stimme klingt belegt. Kein Wunder: Das Herz wummert dir im Halse. Du bist noch immer aufgeregt und weißt nun, dass du trotz deiner vielen Leben noch eine Menge lernen musst, um das Niveau dieser beiden zu erreichen. Ich fange ja immer wieder bei null an.
    »Kann man das Tor öffnen?« Aruula sagt es, so leise, dass man die Ohren spitzen muss, um sie zu hören. Wer weiß, wozu es gut ist. Nicht nur die Frauen von den Dreizehn Inseln haben Fähigkeiten, die der Rest der Welt bewundert oder fürchtet.
    Commander Drax seufzt. Er versucht das Rad zu drehen, mit dem die Herren dieses Gewölbes es verschlossen haben. Doch wäre es nicht ein Wunder, wenn die Mechanik, die Elektronik oder was immer den Öffnungsvorgang bewirkt, nach dieser Ewigkeit noch griffe?
    Es tut sich nichts, und Commander Drax sagt leise, doch ziemlich aufgebracht: »Fuck you!«
    Was dich an Kit Lambert erinnert, der immer Fuck you sagte, wenn wieder mal ein Schallplattenproduzent der Meinung war, die Band, die er managt, würde es nie in die Charts schaffen. Du erinnerst dich auch an die lange Nase, die er all diesen tauben Nüssen gedreht hat, als seine Boys in Woodstock auf der Bühne standen.
    Nun presst Matt Drax seine »Taschenlampe« an eine Stelle neben dem Rad und drückt darauf.
    Ein feines Surren liegt plötzlich in der Luft. Es klingt wie ein Bohrer.
    »Wo kommt das her?«, fragst du.
    Drax weist auf seine Allzweckwaffe. »Okay, ich will dich nicht länger auf die Folter spannen, Xij«, sagt er, ohne dich anzusehen. »Dieses Werkzeug ist ein Kombacter… ein bionetisches Allzweckinstrument, das allerlei kann: Es dient mir als Kompass, Lampe, Schneidewerkzeug, Bohrer und, wie du ja gesehen hast, als Blitzwerfer.« Ein Grinsen ist auf seinen Lippen. »Zu deiner Zeit war es schon nicht mehr auf dem Markt. Genauer gesagt: seit dreieinhalb Milliarden Jahren nicht mehr. Und nicht mal auf diesem Planeten.«
    Er macht Witze. Glaubt er wirklich, mit solchen Räuberpistolen deine Neugier ködern zu können?
    Das feine Surren verstummt. Drax lässt den Kombacter sinken, dreht das Rad. Die Tür setzt sich rasselnd in Bewegung, und dir wird neuerlich klar, dass dieser Mann irgendwann rauskriegen wird, wer du wirklich bist. Ist es erstrebenswert, dann noch in seiner Gesellschaft zu sein?
    Erzähl ihm nichts. Je mehr er weiß, je mehr wird er wissen wollen. Du kennst diesen Typ: die Nase immer im Wind. Ständig auf der Suche. Immer daran interessiert rauszukriegen, was hinter dem nächsten Hügel liegt.
    Apropos:
    Das Tor geht auf. Du empfindest…
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