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273 - Die Wandlung

273 - Die Wandlung

Titel: 273 - Die Wandlung
Autoren: Michelle Stern
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Gedanken.
    Sie konzentrierte sich erneut auf den Daakil, der offensichtlich eine Spur aufgenommen hatte. Sein rotes Rückenfell war leicht gesträubt und der lange Schwanz peitschte unruhig hin und her. Das Tier sah aus wie ein winziger Lupa mit langen herunterhängenden Ohren. Wer in seine schwarzen Knopfaugen sah, konnte nur mit Mühe an das scharfe Gebiss glauben, das sich zwischen den Lefzen verbarg.
    Ludmeela löste die Lederhaube vom Kopf des Gerfalken. Der Vogel stieß einen Schrei aus, der nach reiner Freude klang. Für einen Moment konnte Bahafaa die dunkelbraunen Vogelaugen sehen, die von einem gelben Ring umschlossen wurden. Dann warf Ludmeela die Falkin hoch in die Luft.
    Das Tier wurde vom Armstumpf katapultiert, entfaltete die weißen Flügel mit den schwarzen Spitzen und stieß einen weiteren Schrei aus. Bald schon stand der Gerfalke gut zwei Speerwürfe über ihnen in der Luft.
    Bahafaa war, als könne sie die fiebrige Erregung fühlen, die das Tier erfasste. Sie blickte in Ludmeelas Gesicht und erkannte, dass diese in einer Trance versunken war, die ihr half, sich noch enger mit der Falkin zu verbinden.
    Ludmeela hatte erzählt, dass es ihr an manchen Tagen sogar gelang, über die Augen der Falkin zu sehen. Zwar konnte sie keine Menschen belauschen wie andere Kriegerinnen der Dreizehn Inseln, aber zu den Gerfalken hatte sie ein ganz besonderes Verhältnis.
    Der Daakil stand vor, zeigte das Wild an - ein Rudel Gerule, das sich in einer Brabeelenhecke versteckt hatte und nun daraus hervorschoss. Die langen Hinterläufe der Gerule spannten sich zu weiten Sprüngen. Sie flohen über die Ebene.
    Die Gerfalkin stieß einen triumphierenden Schrei aus, legte die Flügel eng an den Körper und stieß hinab.
    Bahafaa hielt den Atem an. Das Tier war schneller als jedes Schiff, das sie in den Wellen gesehen hatte. Es rauschte in die Tiefe wie ein Stein und wurde zu einem weißen Blitz, der sich vor dem wolkenschweren Himmel abzeichnete. Mit unverminderter Geschwindigkeit erreichte es den Boden und breitete seine Schwingen aus.
    Bahafaa konnte nicht sehen, was der Falke tat, dafür war er zu schnell. Aber sie wusste, dass er seine Beute - einen Gerul, der hinter dem Rudel zurückgeblieben war - mit einer Klaue an der Wirbelsäule packte. Mit der anderen Vogelklaue hielt er den Kopf des Geruls, um sich vor den scharfen Zähnen des Fleischfressers zu schützen, bis er das Rückgrat seiner Beute durchtrennt hatte.
    »Ja!« Ludmeela stieß einen Freudenruf aus. Ihre blonden Haare wurden im Wind aufgewirbelt und ließen sie wie eine der alten Königinnen aussehen. Sie lächelte Bahafaa an. »Wendoo ist uns wohlgesonnen. Das war ein schnelles Jagdglück.«
    Bahafaa fühlte Stolz und Glück in sich, eine solche Freundin gefunden zu haben. Während der Gerfalke die tote Jagdbeute zu seiner Herrin brachte, musste sie an die langen Jahre zurückdenken, in denen sie einsam gewesen war.
    Erst durch Grao hatte sie erkannt, warum keine der anderen Kriegerinnen der Dreizehn Inseln sie um sich haben wollte: Es hatte an ihrer unerkannten Gabe gelegen. Bahafaa konnte nicht lauschen , sondern strahlte ihre Gefühle nach außen ab! Jeder negative Gedanke kam in Form einer ablehnenden Reaktion zu ihr zurück. Und je weiter ihr Ärger über die Ablehnung der anderen wuchs, desto schlimmer wurde es - ein Teufelskreis.
    In den letzten Monaten hatte sie gelernt, freundliche Gedanken zuzulassen, und war so nicht nur zu einem akzeptierten Mitglied der Gemeinschaft geworden, sie hatte auch Ludmeela besser kennengelernt.
    Ludmeela hängte den toten Gerul mit zusammengebundenen Hinterläufen um ihre Schulter und ließ die Gerfalkin auf ihrem Armstumpf landen. »Das hast du gut gemacht, Kora, braves Mädchen.« Ihre unverletzte Rechte strich der Falkin über die Kopffedern und der Vogel schmiegte sich vertrauensvoll an sie. »Du wirst ein Stück der Beute abbekommen.«
    Die Falkin hüpfte auf und nieder und wollte offensichtlich wieder in die Luft geworfen werden. Ludmeela tat ihr den Gefallen. Dann tätschelte sie das schwarzbraune Fell des Geruls. »Gerulbraten mit Tofanen in Wakudamilchrahm und Honigsoße. Das wird ein Festessen«, sagte sie vergnügt. Ihre blassblauen Augen leuchteten im düster werdenden Licht.
    »Wir sollten uns beeilen.« Bahafaa sah besorgt zum Himmel. »Es riecht nach Regen. Draußen auf dem Meer tobt ein Sturm, und er kommt rasch näher. Siehst du die Wolkenfront dort hinten?«
    Ludmeela nickte. Sie verstummte und
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