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264 - Verschollen

264 - Verschollen

Titel: 264 - Verschollen
Autoren: Mia Zorn und Jo Zybell
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der mit jäher Heftigkeit an den Rockschößen von Fletschers abgewetztem Ledermantel riss. Indessen jagten die Punkte wie schwarze Vögel heran.
    Plötzlich kam dem Mann aus Leeds ein schrecklicher Gedanke: Was, wenn das dort unten Piraten waren, die in irgendeinem Hafen von der blonden Göttin aus Corkaich gehört hatten? Von seiner Jenny! Panisch fuhr er sich durch den Bart. Vorbei war es mit kühlen Überlegungen. Auch wenn er die Punkte nicht eindeutig als Boote identifizieren konnte, war die Sache für ihn sonnenklar: In seinem Geiste sah er wilde Freibeuter, die Corkaich überfielen, um ihm seinen Schatz zu rauben.
    Seinen Schatz, für den er sein einstiges Leben aufgegeben hatte. Der ihn in einsamen Nächten manchmal fast um den Verstand brachte und den er wie seinen Augapfel hütete. Jenny! Der Techno aus Leeds stieß einen heiseren Fluch aus. Beseelt von der Vorstellung, dass die Piraten Jennys Haus überfielen, machte er auf dem Absatz kehrt und rannte in den Wald. »Ihr werdet sie nicht bekommen«, keuchte er. »Niemals!«
    ***
    Anheimelnd lagen die Hütten und Häuser von Corkaich im Dämmerlicht des anbrechenden Abends. Aus den Kaminen kräuselten sich kleine Rauchfahnen, und warmes Licht drang aus den Fenstern. Viele der Bewohner hatten sich schon zum Abendessen in die Häuser zurückgezogen. Manche versorgten noch das Vieh in den Ställen und ein Dutzend Ratsleute saßen auf dem Marktplatz mit dem Dorfältesten zusammen. Nach einem schrecklichen Albtraum plagten den Alten schlimme Vorahnungen, was das Schicksal Corkaichs betraf. Während die Versammelten beschlossen, die nächtliche Wache zu verstärken, wehte draußen ein kräftiger Südwind dicke graue Wolken heran.
    »Schnee«, flüsterte Ann Drax, die zur gleichen Zeit am anderen Ende des Dorfes die Wolken betrachtete. Eingemummelt in einen Mantel aus purpur gefärbtem Schafsfell stand sie beim Brunnen im Hof des kleinen Anwesens, das ihrer Mutter Jennifer Jensen und ihrem Ziehvater Pieroo gehörte. Zwischen Mütze und Wollschal lockten sich hellblonde Haarsträhnen um ihr rundes Gesicht. Sie reckte die kleine Stupsnase und schnupperte. Eindeutig! Schneegeruch lag in der Luft. »Wie Mum es gesagt hat. Heut Nacht wird es schneien«, rief sie vergnügt.
    Der schwarze Hofhund spitzte die Ohren. Er kauerte zu ihren Füßen und blickte erwartungsvoll auf den braunen Fellmuff vor Anns Brust, in dem sie eben das Holzspielzeug hatte verschwinden lassen. Wahrscheinlich hoffte er, das Kind würde sein Spiel fortsetzen, bei dem es sich mit dem Spielzeug in der Hand von ihm jagen ließ.
    Doch noch war das Mädchen ganz und gar mit seiner Freude über den bevorstehenden Schnee beschäftigt. Am liebsten wäre es ins Haus gelaufen, um ihrer Mum die Wolken zu zeigen. Jedoch schrieb ihre Mutter gerade in das ledergebundene Buch und es war nicht ratsam, sie dabei zu stören. Pieroo konnte sie ihre Entdeckung auch nicht mitteilen. Ihr Ziehvater war schon seit Stunden bei einer Versammlung auf dem Marktplatz. Probleme besprechen.
    Die Neunjährige seufzte. Es würde also noch dauern, bis sie mit den Neuigkeiten herausplatzen konnte. So lange musste sie sich eben weiter mit dem Schwarzen die Zeit vertreiben. Also zog sie den Holzflieger aus ihrem Muff. »Jagen wir den Kometen!«, rief sie dem Tier zu ihren Füßen zu und streckte ihre Arme in die Luft. Dann rannte sie mit dem geschnitzten Flugzeug brummend und summend um den Brunnen und vorbei an dem aufgebockten Boot, an dem Pieroo den ganzen Herbst gebaut hatte.
    Fröhlich kläffend folgte ihr der Schwarze. Immer wieder reckte er seinen zotteligen Körper und schnappte nach dem Holzgebilde in Anns Hand. Doch das Mädchen wich jedes Mal geschickt aus und die Verfolgungsjagd begann aufs Neue. Doch plötzlich verharrte der Hund mitten im Spiel. »Was ist los, Schwarzer?« Überrascht sah das Mädchen den Hund an, der reglos am Brunnen stand. Er hob seinen struppigen Schädel und spitzte die Ohren. Wachsam glitt sein Blick über die angrenzende Schafsweide. Irgendetwas schien er dort zu wittern.
    Ann fielen die Wildkatzen ein, die jedes Jahr bei eisigen Temperaturen die Wälder verließen, um im Dorf das eine oder andere Schaf zu reißen. Doch noch war es zu früh für deren Beutezüge. Kurzerhand stopfte sie den Flieger in ihren Muff und rannte zu der Steinumfriedung des Hofes, deren Sims ihr bis unter das Kinn reichte. Neugierig beobachtete sie die Umgebung dahinter.
    In der eingezäunten Koppel drängten annähernd
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