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263 - Von Menschen und Echsen

263 - Von Menschen und Echsen

Titel: 263 - Von Menschen und Echsen
Autoren: Michael M. Thurner
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in die Seite.
    Es tat weh, o ja. Doch er war im letzten Moment mit der Bewegung des Schwerts mitgegangen und hatte ihr einen Teil der Wucht genommen. Ein wenig Dampf entwich aus der Wunde, und sofort begann die Restrukturierung des Körpers. Es war ein bewusster Akt, der ihm viel Konzentration abverlangte; und dennoch gereichte er Grao zum Vorteil. Dykestraa blickte ihn erschreckt an. Ein Mensch wäre bei diesem Hieb zur Seite gekippt und gestorben. Er jedoch blieb stehen und grinste.
    Um gleich darauf das Überraschungsmoment zu nutzen. Die Erste Kriegerin reagierte viel zu spät auf seinen Gegenangriff, als er ihr Bahafaas Schwert tief in die Seite trieb. Sie wollte etwas sagen, doch ihre Stimme versagte. Sie kippte nach hinten und fiel haltlos zu Boden. Augenblicklich färbte sich der Schnee unter ihrem Rücken rot.
    »Ich wollte nicht, dass es so weit kommt«, sagte Grao'sil'aana leise.
    Sie lebte noch, als er davoneilte, Hermon hinterher. Er hatte so handeln müssen, um den Kampf möglichst rasch zu beenden. Er war seinem logischen Empfinden gefolgt, dennoch empfand er Bedauern für das Schicksal der Ersten Kriegerin. Auch wenn es das Ende seiner Tarnung bedeutete: Er hoffte, dass sie die Verletzung überlebte.
    ***
    Er traf den Händler auf halbem Weg zwischen seiner und Bahafaas Hütte. Hermon hatte einige Sachen an sich gerafft und wollte in den Norden der Insel flüchten. Vielleicht hielt er dort ein kleines Boot versteckt, vielleicht hatte er auch nur vor, sich zu verbergen, bis sich die Lage im Dorf beruhigt hatte.
    Diese Gedanken waren müßig. Grao konzentrierte sich auf den bevorstehenden Kampf. Seine Hüftwunde war fast vollständig verheilt, der Substanzverlust kaum spürbar.
    »Ich hätte wissen müssen, dass dir die Kriegerin nicht beikommen kann«, sagte Hermon ruhig.
    »Ach ja? Obwohl du sie so gut dressiert hast? Du scheinst wenig Vertrauen in deine eigenen Fähigkeiten zu besitzen.«
    Sie umrundeten einander, stets darauf bedacht, den Reflexionen der Sonne auf kalt gleißenden Schneekristallen auszuweichen. Eis knirschte unter ihren Füßen.
    Er fürchtet sich , dachte Grao'sil'aana. Er weiß, dass er mich im offenen Kampf nicht bezwingen kann. Oder aber er täuscht seine Schwäche nur vor…
    Zwerglischetten durchbrachen plötzlich die Schneedecke. Sie stürzten sich auf ihn, verwirrten seine Sinne, wollten sich auf ihm niederlassen. Grao hieb wild um sich; doch für jedes Tier, das er traf, rückte ein Dutzend nach. Schon waren sie so nahe, dass er kaum noch etwas sehen konnte. Überall waren Flügel, die blau und rot und grün glänzten…
    Er ahnte die Attacke Hermons mehr, als dass er sie sah; er warf sich nach vorne, auf seinen Gegner zu, riss ihn von den Beinen, schlug blindlings um sich.
    Die Zeit der Täuschung und Tarnung war endgültig vorbei. Grao wechselte zurück in seinen Echsenkörper; nur so würde er dem hinterhältigen Händler beikommen können. Gleichzeitig tastete er in den Schnee, brach eine gefrorene Erdscholle hervor und zerrieb sie zwischen seinen Fingern. Den Staub schleuderte er in Hermons Richtung.
    Sein Gegner schrie überrascht auf - und verlor die Kontrolle über seine geflügelten Helfer. Die Heerscharen der Lischetten stiegen höher, Grao hatte wieder freie Sicht. In einem Akt besonderer Konzentration formte er die Hände nach seinem Willen um: Sie wurden zu scharfen Axtklingen, mit denen er einen wuchtigen Hieb gegen die Schwerthand Hermons führte.
    Sein Gegenüber ahnte die Bewegung, dennoch traf Grao.
    Hermon schrie auf wie ein Vieh. Schrill, panisch, voll Todesangst.
    Im gleichen Augenblick erstarrte Grao - und fing den zweiten Schlag, den er mit der Rechten gegen Hermons Hals geführt hatte, nur wenige Zentimeter vor dem Ziel ab.
    Dampf schoss aus dem Armstumpf des vermeintlichen Händlers. Sein Körper war nur Tarnung. Darunter verbarg sich ein thermophiles Inneres.
    Grao'sil'aana stand einem zweiten Daa'muren gegenüber!
    ***
    »Überrascht?«, fragte Hermon mit einem schmerzverzerrten Lächeln, während sich die Armwunde wieder schloss.
    »Ja.« Grao schalt sich einen Narren. Wie hatte er einen Bruder verkennen können? Gut; er hatte seine telepathischen Fähigkeiten verloren - aber war denn sein Bewusstsein schon so sehr von Gefühlen durchschwemmt, dass er nicht mehr in der Lage war, auf seine Instinkte zu hören?
    »Meine Tarnung ist eben perfekt«, meinte Hermon mit überheblich klingender Stimme. Die Wunde an seinem Arm verheilte so rasch, dass man
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