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26 - Die Sklavenkarawane

26 - Die Sklavenkarawane

Titel: 26 - Die Sklavenkarawane
Autoren: Karl May
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sämtlichen Freunden und Anverwandten bis vor den Ort hinausbegleitet.
    Tränen fließen, Herzen zerrinnen. „Be ism lillahi – in Allahs Namen!“ erklingen die schluchzenden Segenswünsche. Der Zug kommt zehn- oder hundertmal ins Stocken, denn hier bockt ein Esel und wirft Ladung und Reiter ab; ein andrer wälzt sich im tiefen Kot, um sich von der Last zu befreien, und ein dritter stemmt sich mit allen vieren ein, schreit wie am Spieß und ist weder durch Liebkosungen noch durch Schläge von der Stelle zu bringen, bis sich zehn Anverwandte vorn anspannen, um ihn am Maul zu ziehen, und zehn Freunde hinten am Schwanz schiebend und schwitzend nachhelfen. So gelangt die Dschellaba endlich glücklich ins Freie und bockt, stolpert, rennt, schreit, heult und flucht ihrem Glück entgegen.
    Sie trennt sich von Zeit zu Zeit, um sich an gewissen Orten wieder zusammenzufinden. Glänzende Geschäfte werden gemacht, großartige Abenteuer erlebt; manche gehen auch zugrunde, während andre ihr kleines Anlagekapital durch Schlauheit und Ausdauer vervielfältigen und wirklich zu reichen Männern werden.
    Mancher Dschellabi wagt sich in den tiefsten Sudan hinein und kommt erst nach Jahren als gemachter Mann zurück. Mancher ist vielleicht früher ein angesehener Beamter gewesen und hat zum Esel greifen müssen, um im Sumpfland am Fieber oder anderswo am Hunger zugrunde zu gehen. Niemand erfährt, wo seine Gebeine und diejenigen seines Esels bleichen. Vielleicht hat er den letzteren vorher noch aufgezehrt.
    Eine solche Dschellaba war es, welche der Karawane jetzt begegnete. Sie kam den Arabern höchst ungelegen, und der Scheik murmelte einen Fluch zwischen die Lippen. Dem Fremden aber waren diese Leute sehr willkommen. Er ritt auf sie zu, rief ihnen einen freundlichen Gruß entgegen und fragte: „Wohin geht euer Weg? Die Sonne ist gesunken. Wollt ihr nicht bald Lager machen?“
    Die Leute waren nur sehr notdürftig gekleidet. Die meisten trugen nichts als nur die Lendenschurze; aber alle waren guten Mutes. Sie schienen gute Geschäfte gemacht zu haben. Sie gehörten nicht einer und derselben Rasse an. Es gab mehrere Schwarze unter ihnen. Voran ritt ein kleiner, dünner und, soviel man bei dem scheidenden Tageslicht sehen konnte, blatternarbiger Bursche, dessen Schnurrbart aus nur einigen Haaren bestand. Er hatte Hosen an, war sonst unbekleidet und trug ein riesiges Schießgewehr am Riemen auf dem Rücken. Eine Kopfbedeckung schien für ihn überflüssig zu sein; sein Haar hing ihm dick und voll vom Haupt bis auf den Rücken herab, fast ganz in der Weise, wie die in Deutschland als Blechwarenhändler und Drahtbinder umherziehenden Slowaken das ihrige zu tragen pflegen. Er war es, der die Antwort übernahm: „Wir kommen vom Dar Takala herab und wollen nach Faschodah.“
    „Aber nicht heute?“
    „Nein, sondern erst morgen. Heute bleiben wir am Bir Aslan.“
    „Das wollen wir auch. So können wir uns also Gesellschaft leisten.“
    „Herr, wie könnten wir armen Dschellabi es wagen, den Hauch deines Atems zu trinken? Wir machen uns ein Lager fern von euch. Erlaube uns nur ein wenig Wasser für uns und unsre Tiere!“
    „Alle Menschen sind vor Allah gleich. Ihr sollt bei uns schlafen. Ich wünsche es.“
    Das sagte er in bestimmtem Ton. Dennoch fragte der Dschellabi: „Du scherzest, Herr, nicht wahr?“
    „Nein. Es ist mein Ernst. Ihr seid mir willkommen.“
    „Und deinen Leuten auch?“
    „Warum diesen nicht?“
    „Ihr seid Beni Arab. Darf ich erfahren, von welchem Stamme?“
    „Von dem der Homr.“
    „Allah kerihm – Gott ist gnädig, aber die Homr sind es nicht. Erlaube, daß wir fern von euch bleiben.“
    „Warum?“
    „Weil wir euch nicht trauen dürfen.“
    Er hielt den Fremden auch für einen Homr, ja für den Anführer derselben. Um so mutiger war es von ihm, daß er so aufrichtig sprach. Der Europäer antwortete: „Hältst du uns für Diebe?“
    „Die Homr sind Feinde der Schilluk, in deren Gebiet wir uns hier befinden“, meinte der Dschellabi ausweichend. „Wie leicht kann es zu einem Kampf kommen, und da ziehen wir es vor, fern zu bleiben.“
    „Dein Herz scheint keinen großen Mut zu besitzen. Wie ist dein Name?“
    Der Kleine richtete sich im Sattel höher auf und antwortete: „Ob ich furchtsam bin, das geht dich gar nichts an. Wenn du meinen Namen wissen willst, so steige ab und hole dir ihn!“ Er sprang von seinem Esel, warf das Gewehr weg und zog das Messer. Die Homr waren weiter geritten. Die
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