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26 - Die Sklavenkarawane

26 - Die Sklavenkarawane

Titel: 26 - Die Sklavenkarawane
Autoren: Karl May
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mich nehmen.“
    Er langte von seinem hohen Sitz mit dem Metrek (Stock zu Lenken des Kamels) herab, steckte denselben unter den Riemen der am Sattelknopf hängenden Flinte und hob dieselbe zu sich herauf. Dann ritt er lächelnd weiter.
    Der Araber machte ein unbeschreiblich enttäuschtes Gesicht. Die Flinte war fort und eine Pistole hatte er nicht. Ein Überfall mit dem Messer vom hohen Kamelsattel aus war aber ganz unmöglich.
    „Ob er es ahnt, dieser Sohn und Enkel des Teufels!“ knirschte er. „Dieser Versuch ist mißglückt, aber bald wird es Nacht. Dann sieht er es nicht, wenn man auf ihn zielt, und ich kann ihn doch noch erschießen, ehe wir den Brunnen erreichen.“
    Er folgte, nachdem er wieder aufgestiegen war, den Vorangerittenen. Als er an dem Fremden vorüberkam, reichte ihm dieser die Flinte mit den Worten zurück: „Der Feuerstein ist ja zerbrochen und ausgefallen. Du kannst also heute nicht schießen. Morgen aber werde ich dir einen neuen geben. Ich habe welche im Gepäck.“

ZWEITES KAPITEL
    Eine Dschellaba
    Es war klar, daß der Fremde den Stein herausgeschraubt hatte. Der Scheik erkannte nun abermals, daß er durchschaut sei, und brannte nun förmlich darauf, dem Giaur die tödliche Kugel geben zu lassen oder auch selbst zu geben. Dieser aber ritt mit dem gleichmütigsten Gesicht hinterdrein, doch hatte er das eine Gewehr, welches vorher am Sattelknopf hing, schußbereit in der Hand und beobachtete jede Bewegung seiner Begleiter mit scharfem Auge.
    Die Zeit verging, und das Land wurde hügelig. Eine wenn auch unbedeutende Höhenkette zog sich hier von Norden nach Süden und brachte einige Abwechslung in das Landschaftsbild. Als sie durchquert war, kamen die Reiter wieder in die Ebene, wo, wie sie sahen, ein spärliches Gras gestanden hatte, welches aber von der Sonne vollständig versengt war. Mehr und mehr neigte sich diese dem Horizont zu. Als sie ihn erreichte, hielt der Scheik sein Tier an und rief im Ton eines Muezzins: „Hai es sala – auf zum Gebet! Die Sonne taucht in das Meer des Sandes, und die Zeit des Mogreb ist gekommen!“
    Sie stiegen alle ab und beteten in der bereits beschriebenen Weise. Fünfmal täglich hat der Moslem seine Andacht zu verrichten und sich dabei zu waschen, mag er sich nun zu Hause oder sonstwo befinden. Diese Gebete sind: el Fagr früh beim Aufgang der Sonne, el Deghri um die Mittagszeit, el Asr drei Stunden später, die Aufbruchszeit aller strenggläubigen Reisenden, el Mogreb beim Sonnenuntergang und endlich el Aschia eine Stunde später.
    Es versteht sich, daß diese Zeiten nicht stets und überall streng eingehalten werden, und je weiter die abendländische Kultur im Osten vorschreitet, desto schwerer wird es dem Muselmann, diesen Vorschriften Folge zu leisten.
    Als die Fatiha gesprochen worden war, stiegen alle wieder auf, und der Ritt wurde fortgesetzt. Der Fremde war im Sattel geblieben. Es war ihm nicht zuzumuten, an ihrem Gebet teilzunehmen oder auch nur nach europäischer Sitte durch Entblößung des Hauptes ein Zeichen der Ehrfurcht zu geben. Er hätte sich damit entehrt, da der Mohammedaner es für eine Schande hält, den Kopf unbedeckt sehen zu lassen. Nur allein der Mezaijin (Barbier) hat das Vorrecht, den Anblick frommer, kahl geschorener Schädel, auf denen nur die mittelste Locke stehenbleiben darf, zu genießen. Diese Locke ist für den Muselmann sehr notwendig, weil ihn, wenn er auf dem Pfad strauchelt, welcher nach dem Tod in das Paradies führt und der nur so breit ist wie die Schärfe eines Barbiermessers, der Engel Gabriel bei diesem Haarschopfe faßt, um ihn festzuhalten und nicht in die Hölle hinabstürzen zu lassen.
    Wenn die Sonne in südlichen Gegenden hinter dem Horizont verschwunden ist, so tritt die Nacht sehr schnell heran. Eine Dämmerung wie bei uns ist dort unbekannt. Darum trieb Abu 'l arba ijun, der Vater der vier Augen, die Araber jetzt zu größerer Eile an. Noch waren sie nicht weit gekommen, so sahen sie einen kleinen Reiterzug von Norden her sich im spitzen Winkel auf ihre Richtung zu bewegen. Es war eine Dschellaba, eine Handelskarawane, und zwar eine der anspruchslosesten, ja ärmlichsten Art.
    Die acht Männer, aus denen sie bestand, saßen nicht etwa auf stolzen Rossen, auf hohen, langbeinigen Hedschihns oder wenigstens auf gewöhnlichen, ordinären Leitkamelen, o nein, sondern sie hingen in den verschiedensten und keineswegs eleganten Stellungen auf jener Art von Tieren, deren Abbild früher unfleißigen
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