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2595 - Wanderer am Scheideweg

2595 - Wanderer am Scheideweg

Titel: 2595 - Wanderer am Scheideweg
Autoren: Michael Marcus Thurner
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Einheiten eilten hin und her, verübten sinnlos wirkende Tätigkeiten, verließen die Zentrale und kehrten bald darauf wieder zurück. Das Kommen und Gehen wirkte irgendwie sinnentleert; doch Pral ahnte, dass alles seine Richtigkeit hatte.
    Die Dispenser nahmen ihre Flickarbeit auf. Sie verschickten Psi-Materie. Maschinenwesen, die mithilfe von raumtemporalen Saugtunnels zur Baustelle geschickt wurden, übernahmen vor Ort und Stelle die Feinarbeit. Die hochempfindliche Substanz verteilte sich wie eine Schicht Sprüh-Klebstoff über der Lücke und verschloss sie allmählich.
    Die angezeigten Werte kehrten allmählich in den Positiv-Bereich zurück. Die Gefahr, dass TALIN ANTHURESTA ausgerechnet hier platzte, verringerte sich von Sekunde zu Sekunde.
    Und dennoch: Pral konnte und durfte nicht zufrieden sein.
    Tausende Kilometer von Frerino entfernt entstand ein neuer Krisenherd. Ein Fleckchen voll Psi-Materie verschwand; ein Fleckchen, das die riesige Station dem endgültigen Untergang weihen könnte.
    Pral deutete Clun'stal, seine Aufmerksamkeit auf das neue Ziel zu richten und Agrester so gut wie möglich zur Hand zu gehen. Der Stalwart war dem Essa Nur untergeordnet, und er würde dessen Anweisungen ohne Wenn und Aber akzeptieren.
    Pral fühlte ein unangenehmes Ziehen und Zwacken im Brustbereich. Etwas erregte seine Aufmerksamkeit, und am liebsten wäre er in seinen Kabinentrakt zurückgekehrt, um eine weitere Dosis übersättigter Methan-Atmosphäre aufzunehmen. Vielleicht löste sich das neue Problem im Nichts auf, wenn er es bloß lange genug ignorierte?
    Nein! Er hatte Verantwortung übernommen. Ihm oblag es, die Arbeit der wenigen in TALIN ANTHURESTA verbliebenen Verbündeten zu koordinieren und dafür zu sorgen, dass das so große und dennoch äußerst fragile Gebilde hielt.
    Die neue Schadensmeldung stammte von einer ganz besonderen Scheibenwelt. Von einer, auf der seit wenigen Tagen eiszeitliche Bedingungen herrschten.
    Es war Wanderer. Die Domäne von ES.
    Die Kunstwelt unterlag gewaltigen Veränderungen. Eine Hyperkälte bewirkte signifikante Zerstörungen der Oberflächenstrukturen. Riesige Schollen trieben über Teile des Zentralozeans; immer wieder krachten sie gegeneinander, verbuken zu größeren Eis-Inseln - und zersplitterten bald darauf wieder unter dem großen Druck, der auf diese dahintreibenden Flächen einwirkte.
    Die Ortung lieferte Aufnahmen von bislang unbekannter Klarheit von der einzigartigen Scheibenwelt. Pral befahl Agrester, alle gelieferten Bilder aufzuzeichnen und zu speichern. Was auch immer auf Wanderer vor sich ging - es besaß womöglich große Bedeutung im verzweifelten Kampf um die Unversehrtheit TALIN ANTHURESTAS.
    »Siehst du, was ich sehe?«, fragte er Akika Urismaki. Er wollte sichergehen. Vielleicht täuschten ihn seine Sinne? In diesem Hier und Jetzt war buchstäblich alles möglich.
    Psi-Materie erzeugte Phänomene, die unerklärlich blieben. Sie täuschte und veränderte Sinneswahrnehmungen, und sie war auch in der Lage, die Psyche eines Betrachters zu beeinflussen.
    »Ich erkenne Ambur-Karbush«, sagte der Halbspur-Changeur mit Ehrfurcht in der Stimme. »Die Maschinenstadt. Sie ist beinahe vollständig von Eis überzogen. Da sind viele bizarr wirkende Formen. Brücken, wo keine sein sollten. Schneehöhlen. Verwehungen, deren Bruchkanten scharf wie Klingen wirken.«
    Akika Urismaki hielt inne. Er veränderte den Betrachtungswinkel auf Wanderer und ließ eine Totale auf die Scheibenwelt entstehen. Das Gebäudekonglomerat Ambur-Karbushs blieb weiterhin im Fokus. Nun war auch der gewaltige Strom zu erkennen, der aus Berglandschaften weit im Westen Wasser mit sich brachte.
    Auch hier gab es Eisstoß; an den Ufern des Flusses türmten sich Schollen auf. Sie rieben aneinander, unter großem Druck stehend, und von Zeit zu Zeit schossen metergroße Brocken hoch in die Luft, um weit im Landesinneren wieder zu Boden zu krachen.
    Akika Urismaki fuhr in seinen Beschreibungen fort: »Der Wasserfall an der Steilküste, am Ende der Stadt - er besteht bloß noch aus einer Eisfläche. Alles Leben ruht. Alles stirbt.«
    »Das Loch nahe Frerino ist gestopft«, rief sich Clun'stal in Erinnerung. »Wir haben es geschafft!«
    »Sehr schön«, sagte Pral, ohne den Enthusiasmus des Essa Nur zu teilen. Statistiken zeigten ihm, dass sie trotz aller Bemühungen die schwindende Psi- Materie nur zu knapp 99,6 Prozent ersetzen konnten. Mit jedem neuen Riss in der Hülle rings um TALIN ANTHURESTA
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