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257 - Die Spur der Schatten

257 - Die Spur der Schatten

Titel: 257 - Die Spur der Schatten
Autoren: Jo Zybell
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sich die Suche nach Ann und Jenny wie ein kurzes Intermezzo aus. Und doch würde es den Punkt markieren, nach dem er kürzer treten und sesshaft werden würde. Die beiden und Pieroo aufspüren, mit ihnen reden, sich überzeugen, dass alles in Ordnung war… und dann zurück nach Schottland, um zusammen mit Aruula eine Blockhütte zu bauen, Shiips und Horseys zu züchten… ja, und auch an Nachwuchs zu denken. Der diesmal nicht eine Laufbahn wie Daa'tan nehmen, sondern behütet aufwachsen würde.
    Der Wald lichtete sich ein wenig, ein Bach plätscherte unterhalb des Weges durch ein kleines Tal. Auf einer Lichtung sah Matt Drax große rotbraune Tiere, einige mit mächtigem Gehörn. Rotwild. Der Weg stieg an, die Morgensonne brach durch den Hochnebel, der Dunst verzog sich nach und nach.
    Und dann kam Rulfans Burg in Sicht. Sie lag auf der Kuppe eines kaum bewaldeten Hügels. Sie war nicht groß, und mindestens drei Generationen hatten an ihr gebaut in den letzten dreihundert Jahren. Seit sechzig Jahren stand sie leer. Nach seiner Mutter hatte Rulfan die alte Burg getauft: Canduly Castle. Das Tor stand offen. Hammerschläge und das Quietschen von Flaschenzügen drangen aus dem Burghof. Die Restaurierungsarbeiten gingen auch weiter, wenn der Burgherr nicht zu Hause war.
    Eine zehnköpfige Familie verwaltete das Gemäuer für Rulfan. Deren Oberhaupt - ein graubärtiger Patriarch namens Pellam - beaufsichtigte die Bauarbeiten, dessen Frau Ayrin hatte die Küche unter sich, und eine ihrer vier erwachsenen Töchter war für die Bewirtung der Gäste zuständig. Eine schöne Frau mit kastanienrotem Haar, schneeweißer Haut und hellblauen Augen. Sie hieß Myrial. Gleich nach ihrer Ankunft im Burghof sprach Rulfan auffällig lange mit ihr. Für die Mittagszeit wies er sie an, ein Wakudakalb zu schlachten und zuzubereiten.
    Matt Drax konnte sich ein Grinsen nicht verkneifen, als er die kleinen Gesten und die Blicke sah, die Myrial und Rulfan - vielleicht unbeabsichtigt - miteinander tauschten. Bahnte sich da etwa eine neue Beziehung für den arg gebeutelten Albino an? Er wünschte es ihm von ganzem Herzen. Gerade in Liebesdingen war Rulfan vom Schicksal nach kurzen Zeiten des Glücks immer wieder grausam bestraft worden. Höchste Zeit, dass sich das dauerhaft änderte.
    ***
    Aus Jennifer Jensens Tagebuch:
    Heute können wir nicht weiter wandern - es regnet zu stark. Es hat die ganze Nacht geregnet und das Buschland zwischen den Hügeln steht bereits unter Wasser. Man könnte meinen, die Ruinen, die uns seit gestern Morgen Zuflucht bieten, stehen auf einer Insel.
    In dieser Nacht habe ich zum ersten mal seit neun Tagen wieder durchgeschlafen. Keine Albträume weckten mich, kein Schusslärm, kein Explosionsdonner, keine Todesschreie. Wenn ich an London denke, an die Kämpfe dort, an die sterbenden Mitglieder der Bunkerstadt, an unsere Flucht, an deine Angst, mein Kind - wenn ich an all das denke, kommt es mir vor, als würde ich mich an einen schrecklichen Film erinnern, den ich irgendwann in meinem ersten Leben gesehen habe, lange bevor der Komet kam. An einen Film, der mit meinem Leben nichts zu tun hat.
    Das ist eine Illusion, ich weiß. Aber ich will an ihr festhalten, solange ich kann. Sie hilft mir, mein Leben zu ertragen. Und ich muss leben und stark sein. Für dich muss ich leben und stark sein, mein Kind, denn du brauchst mich so sehr.
    Ich bin froh, dass Pieroo mich zur Flucht gedrängt hat. Er hat mir gar keine Wahl gelassen, hat dich einfach auf den Arm genommen und ist den Ruinenhügel hinauf gestiegen. Ich heulte, ich flehte ihn an, der Community beizustehen, beschwor ihn, diese ohne ihre Technik hilflosen Menschen nicht den kriegerischen Barbaren zu überlassen. Er hörte nicht auf mich - Gott sei Dank! - und ich folgte ihm: durch die Ruinen, über die Themsebrücke, in die Wälder, bis hierher. Wen hätten wir retten können? Niemanden. Was hätten wir gegen die Lords ausrichten können? Nichts.
    Ich will, dass du Folgendes nie vergisst, mein Kind: Ohne Pieroo wären wir längst tot.
    Wenn ich die alten Karten der US Air Force richtig im Kopf habe, befinden wir uns inzwischen etwa hundert Meilen westlich der Ruinen Londons. Die Schlossruine, in der wir Zuflucht vor dem Unwetter gefunden haben, könnte zu den Ruinen des ehemaligen Swindons gehören. Ganz sicher bin ich nicht. Sollte der Regen bald aufhören, könnten wir in den nächsten sieben Tagen das Mündungsgebiet des Severn erreichen.
    Vor Verfolgern können
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