Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
257 - Die Spur der Schatten

257 - Die Spur der Schatten

Titel: 257 - Die Spur der Schatten
Autoren: Jo Zybell
Vom Netzwerk:
wir uns sicher fühlen. Rulfan hat bei unserem Aufbruch eine falsche Fährte gelegt, indem er Claudius Merylbone sagte, wir würden nach Norden gehen. Sollten die Lords diese Information aus ihm herauspressen, werden sie uns nicht finden, denn unser tatsächliches Ziel ist Irland, die grüne Insel.
    Gestern Mittag kehrte Pieroo während eines Platzregens von der Jagd zurück. Neben einer Wildgans und Früchten brachte er ein in Kunststoff eingeschweißtes Buch mit. Oder eigentlich kein Buch, sondern ein Schreibheft - nicht eine einzige Seite zwischen den ledernen Deckeln ist bedruckt. In der luftdichten Verpackung hat das Papier die Jahrhunderte überstanden. Zwei Stifte habe ich aus der Community retten können, Geschenke von Sir Jefferson, dem Berater der Königin. Dieser Unwettertag heute ist der richtige Tag, um mit dem ersten Eintrag in mein Tagebuch zu beginnen.
    Wird es je einer lesen? Die Zukunft ist ungewiss und eine böse Ahnung lässt mich nicht mehr los, seit wir so Hals über Kopf aus London aufgebrochen sind. Ich schreibe für dich, Ann. Du sollst eines Tages erfahren, woher deine Eltern kommen und wohin sie gingen. Und du sollst erfahren, was Pieroo für uns getan hat.
    ***
    18. Oktober 2521, 0:38 Uhr
    »Nix mehr schießen!« Die bärtigen, langhaarigen Jäger knieten im Unterholz, reckten ihm flehend die Arme entgegen und jammerten um die Wette.
    »Zurück in den Dreck mit euch!«, brüllte Fletscher. »Runter!« Das Herz klopfte ihm in den Schläfen, sein Mund war trocken, seine Knie weich. Warum um alles in der Welt funktionierte das verdammte LP-Gewehr nicht mehr? Der Ausfall des Buggymotors und der Scheinwerfer ließ sich ja noch mit einem Kurzschluss in Folge des Unfalls erklären, aber wie konnte ein Reaktor so plötzlich den Geist aufgeben?
    Er zielte erneut, drückte erneut ab - wieder nichts. Er kämpfte die aufbrandende Panik nieder, bückte sich nach Bucks Waffe, zielte auf den ersten der drei zitternden Barbaren und drückte auf den Auslöser - keine Energiekaskade, nichts. Auch die Energieanzeige von Bucks Waffe war erloschen. So viel Zufall konnte gar nicht sein…
    Auf einmal bebte der Waldboden unter seinen Stiefelsohlen, und ein Rauschen ging durch die Baumkronen des Herbstwaldes. Stämme und Geäst vibrierten leicht. Fletscher hielt den Atem an, blickte in den nächtlichen Himmel: Ein schwaches Glühen und Flimmern war plötzlich am Firmament, und Wolken jagten vorüber wie vom Sturmwind gepeitscht.
    »Verdammt…«
    Die Barbaren richteten sich jäh auf, zogen die Schultern hoch, rissen Mund und Augen auf und spähten nach allen Seiten wie gehetztes Wild. Der Boden hörte auf zu beben, das Rauschen verebbte, die Baumstämme zitterten nicht mehr.
    »Runter mit euch!«, brüllte Fletscher. Die Barbaren gehorchten sofort. Wenigstens verstanden sie ihn.
    Fletschers Blick hetzte zwischen den unbrauchbaren Waffen und den drei Wilden hin und her. Was geschah hier? Warum quittierten zwei LP-Gewehre, ein Buggymotor und zwei Scheinwerfer zur gleichen Zeit den Dienst?
    Fletscher war ein nüchterner Mann, er glaubte nicht an Götter und Teufel, die sich gegen ihn verschwören könnten, er glaubte nur an Fakten.
    Das Beben…
    Im Octaviat hatten sie etwas von einer Bombenkette aus hunderten Nuklearsprengkörpern am Kratersee gesagt. Die Information stammte wohl von dem EWAT aus Salisbury. Sollten diese Bomben etwa explodiert sein? Das würde immerhin den Ausfall der Elektronik erklären: EMP. Der Elektromagnetische Impuls, der bei der Explosion von Atombomben freigesetzt wurde - aber auf diese Entfernung? Eigentlich unmöglich! Obwohl… wenn Außerirdische ihre Hände im Spiel hatten, konnte alles möglich sein.
    Fletscher atmete tief durch. Sein Blick fiel auf die Schwerter und Spieße der barbarischen Jäger und dann auf die Waldwilden selbst. Alle waren sie einen Kopf kleiner als er, aber sehnig und mit einer unglaublichen Muskelmasse bepackt. Sie würden Hackfleisch aus ihm machen, wenn sie erst begriffen, dass er im Grunde unbewaffnet war. Er hatte keine Chance gegen sie.
    Fletscher räusperte sich. »Also gut, ich gebe euch eine Chance!« Ihre Köpfe zuckten hoch, sie sahen ihn erleichtert an. »Vielleicht!«, brüllte er. Sie fuhren zusammen. »An die Eiche dort, schnell!« Er fuchtelte mit beiden toten Waffen und zwang die drei, sich bäuchlings ins Wurzelwerk einer alten Eiche zu legen. Dann las er ihre Schwerter und Speere aus dem Unterholz und warf sie zum Buggy in die Fallgrube.
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher