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253 - Das Terror-Gen

253 - Das Terror-Gen

Titel: 253 - Das Terror-Gen
Autoren: Mia Zorn
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sie stehen und befragten den alten Jefferson nach fremdartigen Pflanzen und Früchten. Ohne das mürrische Gesicht von Sir Leonard zu beachten, gab der Albino bereitwillig und ausführlich Auskunft über Kamelien, Musa-Stauden, gelbe Mittagsblumen und Fuchsien. Lautstark bedachte seine Zuhörerschaft die pralle Natur mit gottergebenen Seufzern und erstaunten Ausrufen. Hatten die Technos in den letzten Monaten doch nichts anderes gesehen als die grauen Ruinen ihrer einstigen Heimat, die fern von hier in Feuer und Blut versanken.
    Geblendet von Farben und Fülle der fruchtbaren Landschaft, verloren ihre Gesichter jetzt an Blässe und die Gemüter erhellten sich zusehends. Als sie irgendwann auf fette Kamauler und blökende Wakudas mit ihren Jungtieren stießen, kannte ihre Begeisterung keine Grenzen mehr. Offensichtlich hatten diese Nutztiere keinen Besitzer. Weder Gatter noch Zaun waren zu sehen. Und auch keine menschlichen Spuren. Ibrahim Fahka lief sichtlich das Wasser im Munde zusammen, und Sarah Kucholsky überlegte laut, wie man an die Milch der Wakudakühe herankommen könnte.
    Sir Leonard rief zur Geduld auf. »Vielleicht werden wir oben beim Wachturm entsprechende Gefäße finden. Es ist nicht mehr weit.« Vage deutete sein Finger in Richtung des Waldstreifens, der vor ihnen lag. Getrieben von der Aussicht auf frische Milch und ein Stück Fleisch ging es nun schneller weiter. Man durchquerte den dichten Baumgürtel und kletterte über grüne Bodenwellen. Schließlich stießen die Gefährten auf einen ausgetretenen Pfad. Cinderella Loomer und der Prime warfen sich viel sagende Blicke zu: Augenscheinlich waren sie nicht die Ersten, die diesen Weg benutzten. War die Ruine bewohnt? Würden sie friedlich empfangen werden?
    Doch keiner der beiden verlor ein Wort über ihre Gedanken. Schweigend setzten sie ihren Weg mit den anderen fort. Nach und nach verstummten auch die Stimmen der Mitstreiter. Der Untergrund wurde steiniger und der Pfad schmaler. Serpentinenartig ging es steil bergauf. Jefferson Winter atmete schwer. Ibrahim Fahka stöhnte und ließ sich von Cinderella am Tragegestell ablösen. Der schwarzhäutigen Pilotin machte die Anstrengung nichts aus. Sie besaß einen durchtrainierten Körper und hatte mehr Kraft in ihren Armen als die meisten Männer der Gruppe.
    Als sie den größten Teil der Strecke hinter sich gebracht hatten, atmeten sie auf: Hinter einer Kehre wurde der Pfad breiter, der Untergrund weicher, und nach einer Weile befanden sie sich plötzlich auf einer ebenen Lichtung. An deren Ende ragte eine zerklüftete Felsenwand aus dem Boden. Daneben führten verwitterte Stufen eine steile Böschung hinauf, auf dessen Kamm wohl das eigentliche Plateau der Anhöhe lag. Den Turm konnte man von hier aus nicht sehen. Doch das interessierte im Moment niemanden. Alle Augen waren auf den kleinen Wasserfall gerichtet, der in schäumenden Kaskaden von den Felsen stürzte und sich am Fuße der Steinwand in einem kleinen See ergoss.
    Dieser Anblick tröstete über die Mühsal der letzten Minuten hinweg. Sarah Kucholsky und Fahka, die einen Wasserschlauch in ihrem Gepäck hatten, liefen zum Ufer, um sich von dem kostbaren Nass zu holen. Lady Windsor weinte. »So klar wie Kristall«, flüsterte sie immer wieder. Und Sir Leonard sah zufrieden aus wie lange nicht mehr.
    Nachdem er und Cinderella die ehemalige Queen nahe beim Wasser abgesetzt hatten, machte er sich auf den Weg zum Plateau. Oben angekommen, sah er ihn: Keine zehn Meter Luftlinie entfernt stand der Turm auf dem Gipfel des Felsens. Von seiner gut erhaltenen Hülle prangte das rot-blaue Emblem des Union Jack, der ehemaligen britischen Flagge. Die Inselbewohner mussten es irgendwann auf den Beton des von Deutschen errichteten Wachturms gemalt haben. Wie ein steinerner Riese schien er stumm aufs Meer zu blicken.
    Der Prime tat einen tiefen Atemzug. Ein feierlicher Ausdruck lag auf seinem Gesicht. »Das ist er also. Der neue Regierungssitz der Community«, murmelte er.
    Doch schnell mussten die Bunkerleute feststellen, dass der Turm vorläufig nicht bewohnbar war. Die verschiedenen Etagen waren mit Unrat verdreckt. Es roch nach Aas, und bei jedem Schritt stoben Fleggen und Ungeziefer auf. Am schlimmsten aber waren die Crooches: handlange Kakerlaken, die Wände und Böden bevölkerten. Während Eve und Sarah Kucholsky schreiend Reißaus nahmen, zerquetschte Cinderella Loomer das Ungeziefer unter ihren Stiefelabsätzen. »Da hilft nur Feuer oder
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